Teures Detail: die Zierelemente im Grafenbau sollen erhalten bleiben. Foto: factum/Weise

Soldaten, Polizisten und Adlige: Grafen- und Gesandtenbau in Ludwigsburg wurden über die Jahrhunderte sehr unterschiedlich genutzt. Nun sind die Gebäude marode und werden saniert – was nicht zuletzt an den ehemaligen Bewohnern liegt.

Ludwigsburg - Die größte Herausforderung für Sascha Engelmann liegt direkt an der B 27, wenige Meter neben der Fahrbahn. Die einst schmucke Fassade des Grafenbaus, eines barocken Palais aus dem 18. Jahrhundert, sieht so gar nicht mehr schmuck aus. Die jahrzehntelange direkte Nachbarschaft zur Bundesstraße mit ihren zigtausend vorbeirauschenden Autos täglich hat ihre Spuren hinterlassen. Statt barockem Pomp herrscht graue Tristesse, an vielen Stellen bröckelt es, Zierelemente lösen sich langsam auf.

„Hier müssen wir am aufwendigsten sanieren“, sagt Engelmann. Der 40-Jährige führt das Architektenteam Global Conzept an, dass seit 2017 auf dem Ludwigsburger Karree Höfe am Kaffeeberg zugange ist. Gekauft hat das rund 4000 Quadratmeter große Gebiet die Investorengruppe Immovation aus Kassel.

Während im hinteren Teil des Areals alte Gebäude abgerissen wurden und 40 neue Wohnungen entstehen, wird direkt an der Schlossstraße versucht, den einst repräsentativen Grafenbau sowie seinen Nachbarn, den Gesandtenbau wieder vorzeigbar zu machen. Die Fassade des 1724 erbauten Grafenbaus ist dabei die größte Hürde.

Die angrenzende Bundesstraße schädigt die Häuser

Vor allem das Salzwasser, das sich bei Schnee und Eis auf der Straße sammelt und dann an die Hauswand spritzt, hat sich über die Jahre in den Sandstein gefressen. Teile der Fassade müssen deshalb komplett ausgetauscht, andere in mühevoller Kleinarbeit wieder aufgearbeitet werden. Im kommenden Sommer, erklärt Sascha Engelmann, muss trotzdem alles fertig sein.

Bis dahin soll der Sandstein in einem kräftigen Rot gestrichen werden, so wollte es die Denkmalbehörde. Ist die Sanierung im Juli 2019 nicht beendet, fallen Fördergelder aus. Für die Handwerker und Architekten ist ihre aufwendige Arbeit also auch ein Wettlauf gegen die Zeit. Der wird zusätzlich erschwert, weil nicht nur an der Außenhaut, sondern auch im Inneren der barocken Bauten immer wieder böse Überraschungen lauern – was weniger am Zahn der Zeit, sondern vielmehr an den ehemaligen Bewohnern liegt.

Gedacht war der Gesandtenbau als Wohnsitz für den Premierminister Friedrich Wilhlem Graf von Grävenitz. Genutzt wurde er im Laufe der Jahrhunderte allerdings als Münzkabinett, als herzogliche Bibliothek und als Kaserne. 1933 zog dann die Polizei ein. Eines war Soldaten wie Ordnungshütern gemeinsam: Mit dem Erhalt der Bausubstanz nahmen sie es nicht so genau.

Kosten steigen um rund 30 Prozent an

Beim Rundgang am Tag des offenen Denkmals deutet Sascha Engelmann auf durchgefaulte Holzbalken und abgeschlagene Stuckelemente, auf zugemauerte Flügeltüren und achtlos in die Wand geklopfte Leitungen. Ein kunstvoll gearbeiteter Holzboden lag jahrelang unter einer zentimeterdicken Schicht aus Linoleum, in den Keller wurde zu Beginn des Zweiten Weltkriegs ein Luftschutzbunker betoniert. „Das war kein denkmalwürdiger Umgang“, resümiert der Architekt.

Diese Bausünden nun zu „heilen“, wie es in der Fachsprache heißt, ist teuer – sehr teuer sogar. Ein Drittel über der Kostenschätzung vom Beginn der Arbeiten liege man schon jetzt, sagt Sascha Engelmann. Zahlen nennt er keine.

Besonders viel Arbeit steckt im Umbau eines Baalsaals im Grafenbau. Dort haben die Bautrupps in den vergangenen Monaten eine Decke herausgerissen, die im Jahr 1805 eingezogen worden war. Damals wollte man mehr Platz schaffen, aus zwei Räumen gewissermaßen einen machen. Nun hat der Saal wieder seine ursprüngliche Höhe. Hier könnten künftig Veranstaltungen stattfinden, meint der Investor.

Überhaupt sollen die beiden denkmalgeschützten Palais nach ihrer Sanierung nicht als Wohnungen vermarktet werden, sondern an Gewerbekunden vermietet. Auch hier ist der Zeitplan des Investors ehrgeizig: Bezugsfertig, heißt es auf der Internetseite, seien die Büro- und Praxisräume ab dem kommenden Juli.

Großbaustelle beim Schloss

Abriss
2013 wurde das rund 4000 Quadratmeter große Areal am Kaffeeberg, direkt gegenüber des Residenzschlosses, an den Kasseler Investor Immovation verkauft. Das Unternehmen hatte zuvor schon das Salamander-Areal in Kornwestheim erstanden und wiederbelebt, weshalb man das „stadtbildprägende Ensemble“ in guten Händen wisse, hieß es beim Verkauf aus dem Ludwigsburger Rathaus. Abgerissen wurden in der Folge das Kaffeehaus, das nicht unter Denkmalschutz stand, sowie Ställe und ein Seitenflügel des Gesandtenbaus. Im Oktober 2017 begannen die Bauarbeiten für die Wohnhäuser auf dem Gelände.

Wohnen
Sieben Häuser mit 40 Wohnungen in einer Größe zwischen 47 und 155 Quadratmetern entstehen zwischen Schlossstraße, Kaffeeberg und Schmiedgässle. Rund die Hälfte der Wohnungen ist bereits verkauft.

Rundgang
Jeden Freitag zwischen 16 und 17 Uhr lädt der Bauherr zu einer öffentlichen Baustellenbegehung ein. Treffpunkt ist am Gesandtenbau in der Schlossstraße 31.