An einem ganz normalen Arbeitstag im April wurden sie zu Helden des Alltags: die Gerüstbauer Foto: factum/Bach

Mitarbeiter einer Gerüstbaufirma in Vaihingen Enz retten eine Chinesin und ihren Enkel. Der Junge hat seine Großmutter auf dem Balkon ausgesperrt. Die drei Männer bemerken die Not der Frau, die kein Deutsch spricht, und bauen kurzerhand eine Behelfsgerüst zu ihrem Balkon.

Eberdingen - Die „110“ kennt jedes Kind – die Notrufnummer der Polizei. Das Wissen um diese Ziffernfolge kann sogar helfen, wenn man kein Wort Deutsch versteht und kein Telefon greifbar ist. Drei kräftige Gerüstbauer, ein Grieche und zwei Kollegen aus Albanien, haben in einer solchen Situation ohne langes Zögern auf unkonventionelle Art und Weise geholfen und so die Polizei in Vaihingen zu einem anrührenden Dankesschreiben veranlasst.

Jener Donnerstag im April ist ein regnerischer Tag, kein guter Tag für Menschen, die im Freien arbeiten. Quendrim Emini (31), Konstantinos Markou (41) und Perparim Imeri (28) arbeiten fast immer im Freien. Sie sind Gerüstbauer, ein nicht ungefährlicher Job, erst recht wenn es regnet. Auf den glitschigen Gerüstteilen rutscht schnell mal aus, wer nicht aufpasst. Markou erinnert sich genau an diesen 14. April: ,„Irgendwie muss etwas passieren, dass es noch ein guter Tag wird‘, habe ich zu meinen Kollegen gesagt.“

Polizeinotrufnummer per Zeichensprache

Vier Tage lang waren die Mitarbeiter der Firma Ibek Zeit damit beschäftigt, an einer Wohnanlage in Eberdingen-Hochdorf ein Gerüst für den Fassadenanstrich zu errichten. „Wir waren gerade auf dem Dach, als wir auf einem Balkon des dritten Stocks am anderen Ende des Gebäudes eine Frau beobachtet haben, die sehr laut geredet hat“, erzählt Quendrim Emini. Auf die Entfernung identifizieren sie als Sprache Chinesisch. Zunächst vermuten sie, die ältere Frau telefoniere womöglich über eine schwache Handyleitung mit der Heimat. Als die Gerüstbauer eineinhalb Stunden später die nächsten Streben von ihrem Lastwagen abladen, redet die Frau noch immer, „gestikulierte aber jetzt in unsere Richtung“, sagt Emini.

Erst beschleicht die Gerüstbauer ein schlechtes Gewissen. Haben sie ihr Radio zu laut gedreht? Dann glauben sie zu erkennen, dass ihnen die Frau per Zeichnesprache die Polizeinotrufnummer mitteilen will. Die Frau ruft noch das Wort „Baby“ und imitiert offensichtlich ein weinendes Kind. „Ich habe zu Quendrim geschaut und gesagt, ,Hey, da stimmt was nicht‘“, entsinnt sich Konstantinos Markou. Die drei Männer fackeln nicht lange und errichten vor dem Balkon kurzerhand ein Behelfsgerüst, um nachzuschauen. „Was schnelles Provisorisches musste es sein“, sagt Emini.

Beruhigung übers Smartphone

Weil sie aus diesem Grund auf eine Verankerung am Gebäude verzichten, sichert Perparim Imeri die wackelige Konstruktion. In zehn Metern Höhe hält er sich als eine Art menschlicher Befestigungsanker am Balkongeländer fest. Jetzt können auch die Kollegen nach oben klettern.

Sie finden eine Frau in Panik vor: Sie war auf dem Balkon gewesen, um Wäsche aufzuhängen – und von ihrem eineinhalb Jahre alten Enkel ausgesperrt worden. Markou tröstet die Frau, Perparim Imeri beruhigt den Buben. Durch die Scheibe spielt er ihm eine Kindersendung vor, die er sich rasch über das Videoportal Youtube auf sein Smartphone geladen hat. Dann ruft Emini die Polizei. Nach zehn Minuten treffen die Beamten ein, nach weiteren fünf Minuten kommt die Freiwillige Feuerwehr Hochdorf mit sechs Mann und einem Einsatzfahrzeug. Über Nachbarn verschafft sich die Feuerwehr Zugang zum Haus und öffnet dann die Wohnung. Großmutter und Enkel können sich in die Arme schließen.

Polizei bedankt sich schriftlich

Die Polizei wird den drei Familienvätern später in einem Schreiben „vorbildliches bürgerschaftliches Engagement“ bescheinigen und sie „im wahrsten Sinne des Wortes als „Brücken- beziehungsweise Gerüstbauer zu Ihrem Nächsten in Not“ loben.

So wird jener Donnerstag also noch ein guter Tag, und als Großmutter und Enkel gerettet sind, zeigt sich sogar die Sonne. „Ehrlich, es war so“, sagt Quendrim Emini.