Der Morgenspaziergang mit dem Nachwuchs hat Markus Steinhübl (links) und Michael Kleiss, ­Vorsitzende des Jusi-Vereins, am Mittwoch zum Schützenhaus in Kohlberg geführt. Foto: Max Kovalenko

Trotz der Diskussionen um ein Verbot von großkalibrigen Waffen drängt der Schützenverein Kohlberg darauf, mit großen Gewehren schießen zu dürfen. Die Voraussetzungen hat er auf seiner Anlage bereits geschaffen. Jetzt kämpfen die Bürger gegen eine Ausdehnung des Schießbetriebs.

Kohlberg - Die einen denken an Kriegslärm, die anderen fürchten um die Totenruhe auf dem örtlichen Friedhof, manche an den Wert ihrer Grundstücke und viele sorgen sich um die Zukunft ihres 2300 Einwohner zählenden Dorfes. Diese Stimmungslage in der Esslinger Kreisgemeinde Kohlberg provoziert seit geraumer Zeit der örtliche Schützenverein Hubertus.

Dessen etwas über 80 Mitglieder, davon 25 Aktive und die dreiköpfige Vorstandschaft, die ihre Namen nicht in der Zeitung lesen will, bereiten seit geraumer Zeit ihre Anlage (400 Meter vom Dorf entfernt) auf eine neue Disziplin in ihrer Sportart vor: Das Schießen mit großkalibrigen Waffen und mit Vorderladern. Dafür haben sie ihre Schießbahnen verlängert und tiefer in den Boden eingegraben, damit der stärker werdende Schießlärm eingedämmt wird. Für diese Veränderungen, die seit 2007 vorgenommen wurden, liegen die entsprechenden Genehmigungen durch das Esslinger Landratsamt vor.

In die Kritik geriet der Verein erst als das Landratsamt im Zuge des notwendigen immissionsschutzrechtlichen Verfahrens eine Stellungnahme bei der Gemeinde einholte. Bei dieser Genehmigung muss anders als bei den baurechtlichen Angelegenheiten überprüft werden, welche Auswirkungen die neue Schießdisziplin auf die Umgebung und die Menschen, die dort leben, hat. Als die Gemeindeverwaltung um Bürgermeister Klaus Roller in diese Richtung tätig wurde und das Anliegen der Schützen öffentlich wurde, kam es zu einem Sturm der Entrüstung.

„Hochgekochte Emotionen“

Die zunächst gegründete Bürgerinitiative ging mittlerweile in einen Verein über, der heute mehr Mitglieder (105) zählt als der Schützenverein. Erklärtes Ziel von Natur und Umwelt unterm Jusi, so der Vereinsname, ist es, das Großkaliber-Schießen in Kohlberg zu verhindern. Der Verein ist ein Sammelbecken von Kohlbergern, die befürchten, dass der Schießlärm den Wert ihrer Grundstücke und Häuser mindert, die Totenruhe auf dem benachbarten Friedhof beeinträchtigt oder den Aufenthalt bei den benachbarten Vereinen (Tennisclub und Kleintierzüchter) stark stört.

Über diesen Einzelinteressen steht allerdings die Sorge ums Große und Ganze. „Kohlberg ist ein Ort, der von und mit der Natur lebt“, sagt der Vereinsvorsitzende Markus Steinhübl. Die neue lärmintensive Disziplin der Sportschützen greift nach Meinung Steinhübls und der Vereinsmitglieder negativ in dieses Gefüge ein und macht Kohlberg weniger lebenswert. Die Folge werde sein, dass junge Familien wegziehen und keine neuen mehr in den Ort kommen.

In den Reihen der Schützen hält man solche Reaktionen auf ihr Bestreben für „hochgekochte Emotionen“. Die Vorstandschaft bestreitet nicht, dass großkalibrige Waffen lauter sind als die bisher (und auch weiterhin) verwendeten Kleinkaliber-Gewehre. Die veränderte Anlage garantiere allerdings, dass nicht mehr Lärm nach Außen und in den Ort dringe als früher. Ein vom Verein bestelltes Lärmschutzgutachten bestätige diese Aussage.

Das Thema beschäftigt auch den Gemeinderat des Ortes

Der Schützenvorstand kennt die Befindlichkeiten im Ort genau und hat darauf auch reagiert. So wurden die Schießzeiten von 22 Stunden in der Woche auf 12 gekürzt. Jetzt werde sogar das Training am Sonntagvormittag gestrichen. Diese Art von Kompromissfähigkeit vermissen die Schützen auf der anderen Seite.

Das Thema beschäftigt auch den Gemeinderat des Ortes und zwar bereits seit September 2011. Wegen den stark auseinanderdriftenden Meinungen in der Bevölkerung fällt es den Gemeinderäten und Bürgermeister Roller schwer, die geforderte Stellungnahme zum Vorhaben der Schützen abzugeben. Um endlich zu einem Ergebnis zu kommen, hat sich der Gemeinderat mit den Schützen jetzt darauf verständigt, einen Großkaliber-Probebetrieb über mehrere Monate hinweg zu starten. Der Jusi-Verein will sich darauf nicht einlassen. Er versucht über den Petitionsausschuss des Landtags den Großkaliber-Schießbetrieb zu verhindern. „Wir haben nichts gegen die Schützen persönlich“, sagt Steinhübl. „Wir wollen aber auch nicht, dass uns etwas genommen wird – unsere Ruhe“.