In Oberaichen gibt es am Mittwochabend ein massives Polizeiaufgebot. Grund ist eine Informationsveranstaltung des Bündnisses „Solidarität statt Hetze“. Die Lage bleibt ruhig.
Angesichts der Ankündigung einer Gegendemonstration hat die Polizei hat am Mittwochabend mit starken Kräften Präsenz bei einer Informationsveranstaltung des Bündnisses „Solidarität statt Hetze“ in Oberaichen gezeigt. Hintergrund der Podiumsdiskussion, die im Pavillon des evangelischen Gemeindezentrums stattfand, ist der geplante Auftritt des umstrittenen Schweizer Historikers Daniele Ganser am 12. Mai in Leinfelden-Echterdingen.
Dem Aufruf zur Gegendemonstration folgten am Mittwochabend jedoch nicht, wie vom Veranstalter angemeldet, 50 Teilnehmer, sondern lediglich zehn bis 15 Protestierende. Die Gegendemonstranten werden dem verschwörungsideologischen Spektrum zugeordnet. Das Bündnis „Solidarität statt Hetze“ machte vor Beginn der Podiumsdiskussion im Gemeindezentrum von seinem Hausrecht Gebrauch und verhinderte den Zutritt von mindestens zehn Personen, die nach Einschätzung des Veranstalters der Reichsbürger- und Querdenkerszene zuzuordnen seien.
Keine Zwischenfälle
Die Gegendemonstranten hatten sich gegen 18 Uhr gegenüber der Friedenskirche vor einem Plakat mit der Aufschrift „Daniele, wir verehren dich“ versammelt. Bis zum späteren Abend kam es dabei zu keinen Zwischenfällen.
An der Podiumsdiskussion unter dem Titel „Verschwörungsmythen entlarven“ beteiligten sich neben Mitgliedern des Bündnisses die Vorstandsvorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, Barbara Traub, Klaus Gestwa, Professor für osteuropäische Geschichte an der Universität Tübingen, sowie der Beauftragte der Landesregierung gegen Antisemitismus, Michael Blume.
Das sagen die Kritiker
Der Schweizer Daniele Ganser war in der Vergangenheit mehrfach im Zusammenhang mit Verschwörungsmythen aufgefallen, zudem wird ihm Holocaust-Verharmlosung vorgeworfen. Die Verwaltungsspitze von Leinfelden-Echterdingen hat den geplanten Auftritt Gansers in der Filderhalle mit der Begründung genehmigt, dass der Historiker „zwar Verschwörungstheorien zugewandt ist, das jedoch unter die Meinungsfreiheit fällt“. Das Bündnis „Solidarität und Hetze“ sieht das anders und will den Auftritt noch verhindern.
Der Osteuropaexperte Klaus Gestwa betonte in seinem Vortrag, dass Gansers Geschäftsmodell „die Vertiefung der gesellschaftlichen Spaltungsprozesse“ sei. Er spiele mit der Furcht vor einem modernen Superstaat. In seinen Programmen gehe es Ganser um Desinformation nicht um Information. In seinen aktuellen Auftritten referiert der Schweizer Historiker über die Ursachen des Ukraine-Kriegs. Laut Gestwa betreibe Ganser dabei eine „Schuldlastumkehr“, wonach die USA und die Nato Russland bedrängt und in den Krieg getrieben habe.
USA im Fokus bei Ganser
Barbara Traub erklärte, dass Gansers Reden in einen Teil der Bevölkerung hineinwirke, in dem Rechtsextremismus zwar nicht geteilt, aber auch nicht völlig abgelehnt werde. „Dies führt zu einem gefährlichen Aufweichen demokratischer Grundsätze“, warnte Traub.
Blume machte anhand von Zitaten aus einem Werk Gansers deutlich, dass der Historiker von einem tiefen Antiamerikanismus getrieben sei. Die USA habe demnach praktisch die Schuld oder wenigstens Mitschuld an allen vergangenen Kriegen und militärischen Auseinandersetzungen, einschließlich des Ersten und Zweiten Weltkriegs. „Wenn ich mich gegen Ganser nicht positionieren würde, wäre ich falsch im Amt“, sagte Blume.
Die Veranstaltung im evangelischen Gemeindezentrum besuchten am Mittwochabend auch mehr als 20 ukrainische Flüchtlinge, die den Auftritt Gansers in Leinfelden-Echterdingen ebenfalls verhindern wollen. Oksana Liashenko betonte, sie seien gekommen, um gegen den Auftritt des Historikers zu protestieren.