Mit fünf Mal Gold kehrt Darja Varfolomeev von den Weltmeisterschaften in der Rhythmischen Sportgymnastik zurück. Der Jubel über ihre herausragende Leistung ist schier grenzenlos.
Darja Varfolomeev vom TSV Schmiden (Rems-Murr-Kreis) überstrahlt bei den Weltmeisterschaften in der Rhythmischen Sportgymnastik wieder einmal die Konkurrentinnen. Die 18-jährige Olympiasiegerin von Paris gewinnt in Rio de Janeiro fünfmal Gold.
Als 13-Jährige standen auf ihrem Wunschzettel für Weihnachten Gymnastikanzüge und ein Paar neue Keulen – „Aber nicht die billigen aus Plastik, sondern die aus hochwertigerem Kunststoff, die beim Fangen besser in der Hand liegen“. Mittlerweile ist Darja Varfolomeev mit Reifen, Ball, Keulen und Band zum Superstar geworden. Bei den Weltmeisterschaften in der Rhythmischen Sportgymnastik in Rio de Janeiro, die am Sonntag zu Ende gegangen sind, hat die 18-jährige vom TSV Schmiden die Konkurrentinnen überstrahlt – wie schon bei ihrem Olympiasieg im vergangenen Jahr in Paris und vor zwei Jahren bei den Welttitelkämpfen im spanischen Valencia, als sie ebenfalls fünfmal Gold gewann.
Rems-Murr-Landrat Richard Sigel lobt die „unglaubliche Leistung“
Darja Varfolomeev siegte in Rio im Mehrkampf und in den Gerätefinals mit Ball, Keulen und Band und erstmals auch in der Teamwertung gemeinsam mit ihrer Vereinsgefährtin Anastasia Simakova, die Bronze mit dem Reifen holte, und der Nationalgruppe, die ebenfalls in Schmiden trainiert. Der Rems-Murr-Landrat Richard Sigel hob die „unglaubliche Leistung“ hervor, und Ulrich Lenk, der Präsident des TSV Schmiden, jubelte: „Fellbach ist zu einer Sporthochburg in Deutschland aufgestiegen. Endlich zahlen sich der jahrzehntelange Einsatz vieler Beteiligter und auch das finanzielle Engagement der Stadt so richtig aus.“
Das Potenzial von Darja Varfolomeev erkannten Kenner der Szene schon, als die damals Zwölfjährige im Februar 2019 allein mit zwei großen und einem kleinen Koffer aus dem 5000 Kilometer entfernten Barnaul, der Hauptstadt der russischen Altai-Region, nach Deutschland kam. Ihre Mutter Tatjana, eine geborene Enns und ehemalige erfolgreiche Sportgymnastin, die wegen einer Knieverletzung aber nie an Olympischen Spielen teilnahm, erhoffte sich in der Heimat ihrer Vorfahren größere Chancen für die sportliche Karriere der Tochter als in Russland mit seiner Vielzahl von Talenten. So landete Darja Varfolomeev in Fellbach-Schmiden, rund 5750 Kilometer entfernt von Zuhause. Doch das war für das aufgeweckte Mädchen kein Problem, das die deutsche Sprache, dank ihres Opas Alexander, der in Aschaffenburg lebt, von Anfang an gut verstand, obschon ihr das Reden schwer fiel.
Im Bundesstützpunkt begriffen die Verantwortlichen schnell, dass sich ihnen ein Ausnahmetalent angeschlossen hatte. Kathrin Igel, die damalige Stützpunktleiterin, nannte Darja Varfolomeev „einen Glücksfall für die deutsche Sportgymnastik“ und bescheinigte ihr „Ehrgeiz und großes Talent, gepaart mit Unbekümmertheit und viel Selbstbewusstsein“. Trainerin Yuliya Raskina, die Darja Varfolomeev bis heute betreut und maßgeblichen Anteil an den Erfolgen hat, sprach von „großen Zielen“, die gemeinsam erreicht werden können. Und Isabell Sawade, damals wie heute die Teamchefin für Rhythmische Sportgymnastik beim Deutschen Turner-Bund, schwärmte: „Darja ist ein riesiger Gewinn für uns. Ich schätze ihre Euphorie für den Sport. Sie lebt dafür und sprüht vor Energie. Ich freue mich, dass wir sie haben.“
Alle Hoffnungen und Erwartungen bei Weitem übertroffen
Alle Hoffnungen und Erwartungen, die in sie gesetzt wurden, hat Darja Varfolomeev noch bei Weitem übertroffen. Ihre internationalen Erfolge haben außerdem dazu beigetragen, dass die Rhythmische Sportgymnastik in den vergangenen zwei Jahren in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt ist. Vor ihr war die Sportart eine kaum beachtete Randerscheinung. Allerhöchstens Magdalena Brzeska verhalf der RSG zu mehr Popularität, was aber weniger ihrer sportlichen Bilanz auf internationaler Ebene geschuldet war, sondern mit Aussehen und Ausstrahlung der 26-fachen deutschen Meisterin zusammenhing.
Und mit ihrem Manager Klaus Kärcher. Dessen Fellbacher Sportmarketingagentur Vitesse betreut und berät seit zwei Jahren auch Darja Varfolomeev. Denn anders als mit Profi-Fußball sind mit der Rhythmischen Sportgymnastik allein, selbst als mehrfache Weltmeisterin und Olympiasiegerin, keine Reichtümer zu verdienen.
Derzeit macht Darja Varfolomeev, die in diesem Jahr auch noch ihren Realschulabschluss erfolgreich gemeistert hat, Urlaub. Nach ihrer Rückkehr nach Schmiden wird sie wieder sechs Tage in der Woche in der Übungshalle im Stützpunkt in Schmiden stehen. Auch nach dem Saisonhöhepunkt gibt es im Training keine Pause. Deutschlands erfolgreichste Gymnastin, die schon kurz nach ihrer Ankunft in Schmiden erklärt hatte, sie wolle „2028 in Los Angeles dabei sein, vielleicht auch schon 2024 in Paris“, ist noch immer hungrig nach Erfolgen. Zumal im nächsten Jahr die Heim-Weltmeisterschaften in Frankfurt anstehen, bei denen Darja Varfolomeev ihre fünf Titel von Rio verteidigen will.