Gedränge vor einem Tafelladen des DRK. Foto: Pressefoto Horst Rudel/Horst Rudel

Krieg, Inflation und Pandemie treiben immer mehr Menschen zu Hilfsangeboten. Doch die sozialen Träger kämpfen selbst. Das DRK im Land schlägt jetzt Alarm.

Der Eindruck, den viele Menschen derzeit haben, ist wohl nicht falsch: Wie seit Langem nicht jagt eine Krise die nächste, sie überlappen sich und haben massive Folgen. Ein Bereich, in dem sich das besonders deutlich zeigt, ist der Sozialsektor. Denn dort kommt der Druck auf die Einrichtungen und Wohlfahrtsverbände gleich von zwei Seiten: Die Zahl der Hilfebedürftigen wächst, gleichzeitig haben die Helfer selbst mit großen Auswirkungen der diversen Krisen zu kämpfen. Der Landesverband Baden-Württemberg des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) schlägt jetzt vor seiner Landesversammlung am Wochenende in Essingen (Ostalbkreis) mit 600 Gästen Alarm.

 

„In den Tafelläden sind die Regale leer. Dort herrscht seit Beginn des Ukraine-Krieges ein Riesenandrang“, sagt die Präsidentin Barbara Bosch. Sie berichtet von ausgelaugten Ehrenamtlichen, von Sozialläden ohne Ware und einer aggressiver werdenden Stimmung, weil viele Hilfebedürftige umsonst in langen Schlangen stehen. Flüchtlingsströme, hohe Inflation, dazu die anhaltende Corona-Pandemie: „Wir stehen vor großen Herausforderungen“, so Barbara Bosch. Und DRK-Landesgeschäftsführer Marc Groß fürchtet: „Immer mehr Menschen geraten in die Armutsspirale. Wir müssen aufpassen, dass es keinen sozialen Riss in der Gesellschaft gibt.“

Der „Kitt“ dafür seien die sozialen Dienste mit ihren 400 000 Beschäftigten im Land, die manches abfedern. Die allerdings geraten selbst zunehmend in Schieflage. Denn es wächst nicht nur die Zahl derer, die wegen der aktuellen Lage auf Hilfe angewiesen sind. Auch die Helfer selbst kämpfen mit explodierenden Energie- oder Lebensmittelkosten. „Wenn jemand zum Beispiel Essen auf Rädern nach Hause geliefert bekommt, kostet uns das jetzt viel mehr als noch vor Kurzem“, so Groß.

Man könne aber nicht ständig die Verträge ändern oder gar die volle Preisexplosion an die Kunden weitergeben, betont man beim DRK. Das erhöhe das soziale Ungleichgewicht. Auch in Pflegeheimen könne man nicht alle steigenden Kosten auf die Bewohner abwälzen. „Für viele soziale Einrichtungen gibt es derzeit nur zwei Möglichkeiten: Entweder Defizit machen und irgendwann schließen oder die hohen Kosten weitergeben“, sagt Barbara Bosch. Beide Wege seien aber nicht sinnvoll. Man sehe sich dabei auch als Anwalt der Betroffenen.

Sozialgipfel gefordert

Wie andere Wohlfahrtsverbände fordert das DRK deshalb jetzt Unterstützung von der Politik. „Man sollte dringend aus der Coronapandemie lernen und den Sozialbereich bei Hilfeleistungen nicht wieder vergessen“, so Groß. Man müsse eigentlich bei den Schwächsten der Gesellschaft anfangen und von dort aus dann weitermachen. Das passiere jedoch nicht. Zwar gebe es auf Bundesebene Gespräche über einen Sicherungspuffer für den Sozialbereich, im Land zeige die Politik aber eine abwartende Haltung.

Groß fordert schnellstmöglich einen Sozialgipfel für Baden-Württemberg, bei dem Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände und Vertreter der Politik zusammenkommen. Man müsse sich dringend Gedanken machen, wie die Unterstützung für die Bedürftigen langfristig gesichert werden könne. Es bestehe die Gefahr, dass entsprechende Dienstleistungen im schlimmsten Fall nicht mehr erbracht werden könnten. Groß sagte, es müsse geklärt werden, wo es welche finanziellen Hilfen brauche. Bislang lehnt die grün-schwarze Landesregierung ein eigenes Hilfspaket ab. Sie will eine entsprechende Regelung des Bundes abwarten.

Es muss schnell gehen

Das dauert den Wohlfahrtsverbänden zu lange. „Manche Angebote bekommen Liquiditätsprobleme, wenn nichts passiert“, kritisiert Groß. Und dann werden die Helfer selbst zu Hilfesuchenden, wenn andere sie so nötig brauchen wie selten zuvor.