Beim traditionellen Auftakt zum Fellbacher Herbst erleben mehr als 700 Besucher einen vergnüglichen Abend – mit aufmerksamen Probierschlucken und rauschhaften Ausflügen ins Tierreich.
Mit Blindverkostungen auf der Bühne und vergnüglichen Forschungsergebnissen aus dem Tierreich sind die Fellbacher Weingärtner in die tollen Tage rund um den Fellbacher Herbst gestartet. Mehr als 700 Gäste erlebten am Donnerstag im Hölderlinsaal der Schwabenlandhalle mit der Weinexpertin Natalie Lumpp und dem Biologen Mario Ludwig einen unterhaltsamen und ausgesprochen kurzweiligen Abend.
Die Verkostung der eigenen Produktvielfalt gilt als inoffizieller Auftakt der Traditionsveranstaltung unterm Kappelberg und ist im Programmablauf des viertägigen Erntedankfests so unverzichtbar wie der Eröffnungsreigen auf dem Palm-Platz oder der Festumzug durch die Straßen des Oberdorfs. „Wir werden viel Spaß haben“, versprach Moderatorin Natalie Lumpp, wegen der Mischung aus Charme, Herzlichkeit und Fachkompetenz in Fellbach ein gern gesehener Gast, auf der Bühne – und richtete den Blick auf den zur Ouvertüre des Abends eingeschenkten Rosé-Secco.
Bei der Präsentation der einzelnen Tropfen gab es eine gelungene Neuerung
Ins Glas kamen bei der Großen Weinprobe neben dem Begrüßungsschluck insgesamt zehn Weine – der übliche Umfang für die abendfüllende Veranstaltung, die weinselig-heiter beginnt und traditionell mit dem gemeinsamen Singen des von Erich Schlenker gedichteten Fellbach-Lieds endet. Bei der Präsentation der einzelnen Tropfen allerdings hatten sich die Fellbacher Weingärtner eine Neuerung einfallen lassen.
Statt wie in früheren Jahren eine festgelegte Reihenfolge auf die Tischkarten zu drucken, wurden Muskattrollinger, Chardonnay und Acolon beim 76. Fellbacher Herbst erstmals verdeckt eingeschenkt – eine Aufforderung, den eigenen Gaumen zu überprüfen und selbst zu erschmecken, was da mal goldgelb, mal purpurrot eigentlich im Glas schwappen könnte.
Die Auflösung gab’s erst mit jeweils zehnminütiger Verzögerung von Weinexpertin Natalie Lumpp auf der Bühne – genug Zeit, sich Gedanken über Rebsorte und Ausbau zu machen und die eigene Einschätzung notfalls im Austausch mit dem Tischnachbarn zu verifizieren. Der gelungene Kniff rückte den Fokus auf die Hauptdarsteller des Abends – statt die kredenzten Weine eher beiläufig zu verkosten, wurde an vielen Tischen äußerst aufmerksam probiert.
Das lohnt sich nicht nur bei Premium-Produkten wie dem Lämmler-Lemberger aus dem Barriquefass, dem fast schon rötlich schimmernden Grauburgunder und dem neuen Aushängeschild, der ans Gründungsjahr der Genossenschaft erinnernden Rotwein-Cuvée 1858. Neben dem trocken ausgebauten Rosé der Jungwinzer-Gruppe Next Generation und der als Preis-Leistungs-Favorit geltenden Rotwein-Cuvée Quentin bietet auch eine eher verschmähte Rebsorte wie der Muskateller einen Aha-Effekt der positiven Art.
Die Handschrift des neuen Kellermeisters Thomas Zerweck, da waren sich die Besucher einig, ist im Programm der Fellbacher Weingärtner inzwischen jedenfalls deutlich erkennbar. Zumal der seit Juli vergangenen Jahres ins Amt gekommene Nachfolger von Tobias Single nun einen Jahrgang vor sich hat, mit dem er endlich auch mengenmäßig wuchern kann. 400 000 Kilogramm mehr Trauben als bei der Lese 2024, verriet der Diplom-Ingenieur für Getränketechnologie auf der Bühne, haben die Fellbacher Weingärtner in den vergangenen vier Wochen bei der Lese in den Keller gebracht – ein Jahrgang, mit dem sich etwas anfangen lässt.
Doch zurück zum bewussten Trinken: Begonnen hatte der Abend mit einem Test auf der Bühne, stellvertretend für die gut 700 Besucher hatte Moderatorin Natalie Lumpp eine Kandidatin und einen Kandidaten für eine Blindverkostung aus dem Publikum geholt. Mit einer Schlafmaske vor den Augen mussten sie erkennen, ob es sich beim Wein im Glas um eine rote oder um eine weiße Rebsorte handelt. Schon das kann selbst ausgewiesene Weinkenner vor eine harte Probe stellen: „Wenn beide die gleiche Temperatur haben, wird es mega-schwierig“, brachte Kandidat Leo Schneider die Problematik auf den Punkt.
Erfolgreich gelöst wurde die Publikumsprüfung übrigens von beiden Kandidaten – sehr zur Freude der mit dem von Weingärtner-Vorstandschef Thomas Seibold mit dem Bonmot „Wer nicht genießen kann, ist ungenießbar“ eingeführten Moderatorin. Gesprächsstoff für den Fellbacher Herbst lieferte da eher Mario Ludwig mit seinen bebilderten Ausflügen ins betört schwankende Tierreich.
Das Publikum der Großen Weinprobe weiß jetzt nicht nur, dass es Kerosin schnüffelnde Kamtschatka-Bären gibt und wie sich im Fliegenpilz-Rausch röhrende Rentiere anhören. Auch der unter drogenaffinen Delfinen offenbar beliebte Kugelfisch-Trend war für den regelmäßig als Studiogast in Rundfunksendungen auftretenden promovierten Biologen mit komödiantischem Talent ein Thema. Jungtümmler-Runden lassen den mit einem hochtoxischen Gift ausgestatteten Fisch offenbar gern wie einen Joint kreisen – wer nur dran nuckelt, schwimmt zwar hernach in Schlangenlinien, überlebt das Unterwasser-Happening aber.
8,50 Euro waren manchem Gast für acht Käsewürfel schon etwas viel
Erstmals am Start übrigens war bei der Großen Weinprobe auch das inzwischen unter der Regie der städtischen Event-Tochter „Feel“ laufende Catering für die Schwabenlandhalle. Erstes Fazit: Die von den Besuchern georderten Speisen waren kulinarisch in Ordnung und fast schneller serviert als bestellt werden konnte. Ob für acht Käsewürfelchen auf einem Unterteller tatsächlich 8,50 Euro verlangt werden müssen, steht freilich auf einem anderen Blatt.