In Cardiff geht die Post ab – und das die ganze Nacht hindurch. Foto: Visit Wales

In Cardiff wird fast rund um die Uhr gefeiert - die Hartgesottenen bis in die Morgenstunden.

Die Nacht beginnt, wenn die Sonnenstrahlen noch mit voller Wucht auf das Millenium Centre am Hafen von Cardiff treffen und die Bronze-Fassade zum Leuchten bringen. Das Partyvolk eröffnet die Samstagabend-Feiermeile rund um das berühmte Operngebäude. Einige Clubs sind schon rappelvoll, kaum Platz zum Stehen, kaum Luft zum Atmen. Touristen mit Kinderwagen sind noch unterwegs und besichtigen die Hafengegend. Vor den Bars ist es mindestens so eng wie drinnen. Wenn andere Städte in den Sommermonaten wie ausgestorben sind, geht in Cardiff der Punk ab. Eine Party jagt die andere, das Feiervolk stürmt die Stadt.

Zum Vergnügen ist früher bestimmt niemand in den Hafen gekommen. Einst war die Cardiff-Bay der weltweit größte Umschlagplatz für Kohle. Schiffslärm statt Techno-Musik, heiße Nächte nur, weil die Arbeit so hart war. 24 Stunden lang wurden Schiffe beladen. Alles hat sich geändert, aber nachts kommt die Bay-Area immer noch nicht zur Ruhe. Die Türsteher können erst gegen 23Uhr aufatmen, wenn das Partyvolk weiterzieht. Busse fahren im Zehnminutentakt Richtung Innenstadt, Taxifahrer könnten ihre Plätze meistbietend versteigern. Knapp drei Kilometer sind es bis zur berüchtigten St.Mary Street, in der sich Pubs an Clubs reihen, unterbrochen nur von Fast-Food-Restaurants und Supermärkten.

Es gibt Millionen-Metropolen, die nicht annähernd so ein Nachtleben bieten wie die walisische Hauptstadt mit ihren 300000 Einwohnern. Die Jungen fahren jedes Wochenende quer durchs Land, um in Cardiff Party zu machen. Und so sind auch Caren und ihre Clique aus Swansea, mit knapp 200000 Einwohnern immerhin die zweitgrößte Stadt in Wales, gekommen. „Bei uns ist tote Hose, deswegen fahren wir nach Cardiff“, sagt die 23-Jährige. Mit ihren Freundinnen hat sie schon Freitagnacht durchgefeiert und danach im Auto gepennt. „Wir sind zwar ziemlich platt, aber so geht Party in Wales.“ Ein Hotel ist zu teuer, das Geld wird lieber in Brains investiert. Das ist allerdings bestimmt nicht förderlich für die Gehirnzellen, schließlich heißt das beliebte Bier in Cardiff so. Stolz weist Caren noch auf den neuen Fummel, den sie sich heute gekauft hat. Nicht umsonst wirbt Cardiff mit dem Slogan „Capital for Shopping“. Ein Dutzend Arkaden und mehrere Einkaufszentren bilden die Innenstadt, und preiswert ist es allemal. Nur die Jungs aus Carens Clique, und das sieht man ihnen wirklich an, haben gar keine Partypause eingelegt. Wer will, findet auch tagsüber eine geeignete Location. Nur zwei Stunden hätten sie sich zurückgezogen, berichtet einer stolz. Chill-out in der Wiese an der Schlossmauer, ein beliebter Zeitvertreib.

Caren war nachmittags schon am Hafen, schließlich liegen hier die meisten Sehenswürdigkeiten. Die Relikte der Vergangenheit verschmelzen auf geschickte Weise mit topmodernen Bauten. Das Operngebäude ist eines der meistbesuchten Attraktionen in Großbritannien und hat auch Caren beeindruckt. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal an einer Führung durch eine Oper teilnehme.“ Um Cocktails und Bier hat sie bis zum Abend einen großen Bogen gemacht. Damit ist sie aber eher eine Ausnahme.

Aber zum Glück geht es trotz des hohen Alkoholkonsums ziemlich friedlich zu in der City. Das Einzige, was man ertragen muss, sind einige Gestalten, die vor den Pubs umherschwanken. Mancher ist schon bei Tageslicht dicht. Deswegen postieren sich auch spätestens um 18 Uhr die Türsteher. Obwohl es strenge Altersregeln für die Pubs und den Alkoholverkauf gibt, ist Koma-Trinken auch in Wales ein großes Problem.

Erstaunlich ist, dass die Türsteher ziemlich streng sind, selbst Ausweise von Partygängern jenseits der dreißig kontrollieren, die Polizisten sich für das Geschehen allerdings kaum interessieren. Skurril kommen einige junge Männer mit karierten Sakkos und ulkigen Mützen daher. Ein bisschen Sherlock Holmes, ein bisschen verarmter Lord. Diese Typen sind meist von der ganz harten Sorte. Sie geben Gas vom Nachmittag bis zum bitteren Ende am anderen Morgen, wenn die Sonne längst wieder scheint.

Cardiff

Anreise
Von Deutschland gibt es keine Direktflüge nach Cardiff. Mit KLM zum Beispiel kann man über Amsterdam fliegen,

www.klm.com

Unterkunft
Boutique-Hotel: Jolyon’s Boutique Hotel. Kleines, sehr feines Haus mit sechs Zimmern gleich beim Millennium Centre. Die Hotelbar wird auch von Einheimischen geschätzt, www.jolyons.co.uk

Budget-Hotel: The Riverhouse Backpackers: Zentral gelegen, dem Millennium Stadium direkt gegenüber. Mehrbettzimmer mit Stockbetten. Ab 17,50 Pfund pro Nacht. www.riverhousebackpackers.com

Ausgehen
Salt, Stuart Street/Cardiff Bay. Angesagteste Location am Hafen. Abtanzen auf zwei Stockwerken.

YARD, St. Mary Street. Gehört zum Pflichtprogramm, befindet sich im ehemaligen Sitz der Brauerei Brains. Sehr schön hergerichtet, und im Hinterhof schließen sich gleich mehrere Pubs und Restaurants an.

Shopping
Ein Dutzend Arkaden, teilweise aus dem frühen 19.Jahrhundert, befinden sich in der City. Einen Besuch wert ist auf jeden Fall die Wyndham Arcade. Mischung aus Nobelitalienern, alternativen Klamottenläden, hippen Friseursalons und verrauchten Pubs. St. David’s Shopping Center, www.stdavidscardiff.com

Kultur
Millennium Centre, junges Opernhaus, das weltweit für Aufsehen sorgt wegen seiner besonderen Architektur, seiner einzigartigen Akustik und seiner außergewöhnlichen Mischung an Veranstaltungen.

Jeden Tag ein Gratis-Konzert, regelmäßig Musicals, täglich für Besucher geöffnet und mittlerweile die Touristen-Attraktion Nummer eins in Wales mit mehr als einer Million Besuchern pro Jahr. www.millenniumstadium.com