Dr. Dietmar Rupp und die beiden Weinhoheiten Foto: Hans-Wolfgang Bock

Fortschreibung der Beilsteiner Weinchronik

Die Regierung von Württemberg genehmigte 1685 die Abhaltung eines Herbstmarktes in Beilstein. Als Termin wurde der Tag des Heiligen Andreas, 30. November, festgesetzt (letztes Septemberwochenende). Ursprünglich war der Andreasmarkt ein Vieh- und Krämermarkt. Zu Andreas zahlte man Pacht und Zins, die Menschen kamen in die Stadt und Geld war im Umlauf. Dies zog auch Markthändler aus Nah und Fern an, die ihre Waren zum Verkauf boten. Heutzutage sind auf dem Andreasmarkt neben dem Warenangebot eines klassischen Krämermarkts regionale Produkte aus Landwirtschaft und Handwerk erhältlich. Und für Beilstein war es jetzt auch immer eine schöne Tradition, im Rahmen des Andreasmarktes am Samstag bei einer amüsanten Feierstunde im Gewölbekeller des Rathauses, den neuen Weinjahrgang bekannt zu geben. Da aber seit 2018 der Andreasmarkt nicht mehr Ende November, sondern abgerückt von der Adventszeit Ende Oktober stattfindet, begrüßte der stellvertretende Bürgermeister Nico Remmele am Freitagabend (29. 11.) neben den zahlreichen Gästen auch zwei Weinhoheiten. Die 20-jährige aus Lauffen stammende Studentin Kim Weißflog, die am Vortag zur neuen Württembergischen Weinkönigin gewählt worden war, konnte ihr Glück noch gar nicht fassen. Es war ihr erster öffentlicher Auftritt: „Ich freue mich riesig, viele neue Menschen kennen zu lernen.“ Die Beilsteiner Weinprinzessin Zoe-Sophie Schmid, die nur noch wenige Monate amtiert, „die Erfahrungen, die ich dabei gemacht habe, kann man sonst nirgendwo machen“, las die Chronik-Eintragung 2024 vor:

 

Durchschnittswerte: Riesling 76 kg/Ar bei 82 Grad Oechsle Trollinger 97 kg/Ar bei 70 Grad Oechsle Spätburgunder 61 kg/Ar bei 85 Grad Oechsle

Höchste Mostgewichte: Lemberger 94 Grad, Sauvitage 95 Grad, Pinotage 102 Grad, Grauburgunder 96 Grad, Riesling 96 Grad, Spätburgunder 98 Grad, Cabernet Cortis 104 Grad und Muscaris 104 Grad.“

Zusammen getragen hatte die Daten der Agrarbiologe und Mitglied des Historischen Vereins Bottwartal, Dr. Dietmar Rupp. Als gekonnter Moderator führte er in seiner bekannt-humoristischen Art durch die Feierstunde und ließ das Weinjahr 2024 (331. Jahrgang) Revue passieren. Er wies auf den menschengemachten Temperaturanstieg des Klimawandels hin und bestätigte, dass der Weinbau in einer großen Krise stecke. „Künftig muss man fast jährlich mit Spätfrösten rechnen“, die im Frühjahr erhebliche Schäden an den Reben anrichten, da diese jetzt früher austreiben. Der Ertrag liegt 2024 ein Drittel unter dem langjährigen Mittel. Und auch der Lesebeginn (11. September) beginnt immer früher. In Beilstein hat er sich seit 1880 um drei Wochen nach vorn verschoben. Ausreichende und gleichmäßige Niederschläge und ruhiges Herbstwetter bringen diesmal Wein von guter Qualität mit Potenzial für kräftige Rot- und fruchtige Weißweine.

Die Beilsteiner Weinchronik erlaubt einen tiefen Blick in die Historie, denn sie wurde 1693 begonnen. Übrigens gibt es im Bottwartal eine zweite Weinchronik, und diese Großbottwarer Chronik beginnt schon 1522.

In ganz Europa führen Winzer schon seit Jahrhunderten solche sorgfältigen Aufzeichnungen.

Neben Traubenertrag und Güte (Quantität und Qualität) des jeweiligen Jahrgangs überliefern sie lange Zeitreihen, aus denen sich viele Hinweise auf wirtschaftliche, soziale und vor allem klimatische Veränderungen entnehmen lassen. Sie sind somit wichtige Archive für Witterung und Klima. Musikalisch umrahmt wurde die Festlichkeit wie immer durch die Rockies. Unter der Leitung von Dirigentin Karine Bell interpretierte der Chor Weinlieder, so auch das französische Tourdion mit einer Melodie aus dem 16. Jahrhundert und einem Text von 1949. Dieses mehrstimmige Lied aus Frankreich handelt natürlich nicht vom edlen Württemberger, sondern vom Wein aus den Gebieten Bordeaux, Anjou und vom weißen Arbois.

Bei uns daheim

Die hier veröffentlichten Artikel wurden von Vereinen und Gemeinden, Schulen und Kindergärten, Kirchengemeinden und Initiativen verfasst. Die Artikel wurden von unserer Redaktion geprüft und freigegeben. Für die Richtigkeit aller Angaben übernehmen wir keine Gewähr.