An der Riedbahn zwischen Mannheim und Frankfurt wird zurzeit über Monate mächtig gebaut. Foto: dpa/Andreas Arnold

Zugfahrgäste erleben zurzeit einen Sommer mit massiven Baustellen. Das Grundproblem der Deutschen Bahn bleibt aber bestehen, sagt unser Autor Andreas Geldner.

Was sind die größten Feinde der Deutschen Bahn? Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Denn ob Sommerhitze oder Schnee – behindert wird der Betrieb ja immer irgendwie. Und ganz aktuell gibt es weitere Variationen dieses Trauerspiels. Erstens: Weil zu wenig gebaut wird. Zweitens: Weil zu viel gebaut wird.

 

Egal, wo man in der Republik gerade unterwegs ist, ob von Mannheim nach Frankfurt oder ganz aktuell von Hamburg nach Berlin, zurzeit behindern monatelange Großbaustellen vielerorts den Schienenverkehr. Doch danach, irgendwann, irgendwann soll es dann besser werden. Sofern in den kommenden Jahren die nötigen Milliarden für die Hau-Ruck-Sanierungsprojekte nicht wieder ausgehen.

Jahrzehntelanger Verfall

Der schleichende Verfall einer einst im europäischen Maßstab zuverlässigen Eisenbahn hat eine lange Vorgeschichte. Nicht erst seit der EM ist Deutschland damit zum internationalen Gespött geworden. Um fair zu sein: Immer noch ist die Bahn zum Auto eine gute, klimafreundliche Alternative. Und sie ist manchmal besser als ihr Ruf. Aber die DB ist zu Recht das Symbol für eine tief reichende, deutsche Malaise. An deren Wurzeln liegt eine in Führungsetagen von Wirtschaft und Politik hierzulande ausgeprägte Unlust an der Verantwortung. Wenn etwas schief geht, sind alle und alles schuld – nur nicht diejenigen, die für die Übernahme von Verantwortung bezahlt oder gewählt werden.

Die Deutsche Bahn nennt sich AG, doch sie ist zu hundert Prozent im Staatseigentum und hängt am Tropf des Bundes – und hat so nicht die letzte Hoheit über ihre Ressourcen und Finanzen. Die Bundesverkehrsminister und die im Aufsichtsrat vertretenen Politiker hingegen überlassen dem Unternehmen andererseits nur zu gern die Verantwortung für mehr Verkehr auf der Schiene – haben sich aber über Jahre vor der ausreichenden Finanzierung gedrückt. Auch strukturell gab es krasse Fehlsteuerungen: Schienenneubauten wurden vom Bund generöser finanziert als die Instandhaltung. Die Versuchung, das Bestandsnetz auf Verschleiß zu fahren, war für die Bahn deshalb groß. Immerhin: Die viel gescholtene Ampelkoalition hat die finanzielle Verantwortung für die überfällige Sanierung des Schienennetzes engagierter wahrgenommen als die CDU-geführten Vorgängerregierungen. Doch wer muss denn am Ende für kaputte Schienenwege geradestehen? Das Unternehmen Bahn oder der Staat? Klar definiert ist das immer noch nicht.

Wer hat schuld am maroden Schienennetz?

Und hier sind wir wieder beim Thema Verantwortung: Wenn ein Unternehmensmanagement wie das der DB seine selbst formulierten Ziele Jahr um Jahr verfehlt und vor allem die Messlatte immer bescheidener werdender Pünktlichkeitsziele wieder und wieder reißt, wäre ein harter Schnitt an der gesamten Führungsspitze fällig. Auch die Herauslösung des Schienennetzes aus dem Unternehmen Bahn wäre vielleicht der Ruck, den es braucht. Oder Investitionen könnten über einen Infrastrukturfonds aus dem Haushaltsgerangel herausgehalten werden. Dies würde den Staat klarer in die Verantwortung nehmen. Zum Neuanfang würde auch das Eingeständnis gehören, dass zurzeit der Fahrplan ein ungedeckter Scheck ist. Ein Fernverkehr mit einer Pünktlichkeitsquote – wie Anfang des Sommers – von nur der Hälfte der Züge ist untragbar. Wenn mehr Verlässlichkeit ein gestrafftes Angebot erzwingt, dann wäre das schmerzlich, aber zumindest ehrlich.

Alle gehen wieder in Deckung

Doch längst ist wieder die Deckung errichtet, die solche Reformideen aus dem Sichtfeld verschwinden lässt: Wir von der Bahn bauen doch gerade wie wild! Und doch nur deshalb sind wir aktuell verspätet. Wenn dann – irgendwann, in vielen Jahren – alles fertig gebaut ist, wird alles gut. Oder?