Peer Müller, Leiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes, präpariert die 500-Kilogramm-Bombe für den Abtransport. Foto: dpa

In Feuerbach sind wegen der Entschärfung zweier Bomben 400 Menschen evakuiert worden.

Stuttgart - Wie gefährlich das Entschärfen von Weltkriegsbomben ist, zeigte sich vor einigen Tagen in Göttingen: Es gab drei Tote. Groß waren daher die Sicherheitsmaßnahmen am Donnerstag beim Fund zweier Fliegerbomben in Feuerbach.

Eine amerikanische 500-Kilo-Bombe und ein britischer 250-Kilo-Sprengsatz aus dem Zweiten Weltkrieg lösten am Donnerstagvormittag rund um die Hattenbühl-Grundschule Großalarm aus. Die Bomben schlummerten mindestens 65 Jahre im Waldboden westlich des Boschwerks, drohten im Umkreis von 400 Metern erhebliche Schäden anzurichten.

Die Grundschule mit etwa 250 Schülern musste geräumt, die Kindertagesstätte mit 100 Kindern geschlossen werden, 66 Anwohner mussten ihre Wohnungen verlassen. Eine bettlägerige Person wurde vom Rettungsdienst abtransportiert, ein älteres Ehepaar wollte im Keller seines Hauses ausharren. In Kerschensteinerschule und Festhalle wurden Sammelstellen eingerichtet.

"Immerhin muss heute kein Unterricht ausfallen"

Dass die Bomben überhaupt gefunden wurden, war reiner Zufall - beziehungsweise der Aufmerksamkeit des Försters zu verdanken. In einem Waldstück nördlich von Feuerbacher Höhenweg und Hornsträßle waren ihm trichterförmige Mulden aufgefallen. "Weder in Schadensberichten noch auf Luftaufnahmen waren hier Einschläge verzeichnet", sagt Peer Müller, Leiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes. Am Donnerstag um 8Uhr machte sich das sechsköpfige Team dennoch auf die Suche - und fand mit Metalldetektoren die Kriegsrelikte im Boden. Beim Aufbaggern des Waldbodens zeigte sich: größere Kaliber, und sie liegen nur 50 Meter auseinander.

Um 11 Uhr beginnt die weiträumige Absperrung des Waldareals und des angrenzenden Wohngebiets. Schüler und Lehrer finden sich auf dem Sportplatz zusammen, warten auf abholende Eltern. "Immerhin muss heute kein Unterricht ausfallen", sagt die Rektorin Monika Gutke-Krais. Donnerstag war Sporttag, die Älteren hatten Bundesjugendspiele. Lediglich für die Kernzeitkinder mussten für den Nachmittag Ersatzlösungen gefunden werden.

Mehr als 100.000 Blindgänger im Boden vermutet

Für eine Evakuierung reichten die Kräfte der Stuttgarter Polizei, die Gruppen von der Einsatzhundertschaft zugeteilt bekommen hatte, bei weitem nicht aus. Feuerbachs Revierführer Joachim Schäck und Feuerwehr-Einsatzleiter Christian Schwarze einigten sich auf Arbeitsteilung: Die Polizei sollte den Wald zwischen Feuerbach und Zuffenhausen vom Norden her von Joggern und Passanten freihalten. Die Feuerwehr übernahm die Evakuierung des Wohngebiets im Süden. Für Revierchef Schäck gab es keine Alternative: "Es hieß, dass die Bomben bewegt worden seien und deshalb umgehend entschärft werden müssten", sagt er, "sonst hätte man das zu einem günstigeren Zeitpunkt später machen können."

Die Feuerwehr, mit knapp 40 Mann im Einsatz, sowie der Rettungsdienst mit insgesamt 68 Helfern begannen um 12.45 Uhr damit, an den Haustüren zu klingeln. Dies sollte dauern - immerhin musste für einen bettlägerigen Patienten ein Transport organisiert werden. Erst um 13.45 Uhr bekamen die Delaborierer im Wald das Signal, mit dem Entschärfen der Bomben zu beginnen. Um 14.13 Uhr kam von dort die Entwarnung: "Alles im grünen Bereich."

Mehr als 100.000 Blindgänger im Boden vermutet

Die britische 250-Kilo-Bombe steckte mit dem Heck voraus 1,60 Meter tief im Boden. Die doppelt so schwere amerikanische Fliegerbombe war 2,60 Meter tief eingeschlagen. Glücklicherweise hatten diese - im Gegensatz zu der Weltkriegsbombe in Göttingen - keinen Langzeitzünder.

Die Spezialisten mussten trotzdem vorsichtig mit der Baggerschaufel agieren, denn die Bomben mussten komplett freigelegt werden: "Der Zünder sitzt nämlich im Heck", sagt Peer Müller vom Kampfmittelbeseitigungsdienst. Dahinter steckt eine perfide Logik: Die Bombe sollte nicht auf dem Dach des Gebäudes detonieren, sondern erst mal ein paar Stockwerke durchschlagen und im Drehen explodieren.

Mechanische Aufschlagzünder, wie jetzt in Feuerbach, sind nach Ansicht der Experten etwas berechenbarer als die sogenannten Säurezünder, die über Zündnadeln und Ampullen aktiviert werden. Die Bombe explodierte so erst nach mehreren Stunden - oder gar nach Jahren. Die kleinste Berührung oder gar Temperaturschwankung kann beim chemischen Zünder die Katastrophe auslösen. In Göttingen kamen Anfang Juni drei Bombenentschärfer ums Leben. 1990 waren in Wetzlar zwei Entschärfer bei einem gleichen Zündertyp getötet worden.

In Baden-Württemberg endete bisher alles glimpflich. "In diesem Jahr sind das die Bomben Nummer vier und fünf", sagt Müller. Zuvor gab es zwei in Mannheim und eine in Stuttgart. Es gleicht der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen: In Deutschland werden noch mehr als 100.000 Blindgänger im Boden vermutet.