Nun also wieder die SPD: Angela Merkel ist mit der CDU auf der Suche nach einem Regierungspartner. Foto: AFP

Wenn Angela Merkel am Mittwoch mit den Chefs von SPD und CSU in kleiner Runde zusammenkommt, müssen erstmal Hürden beiseite geschoben werden. Einfach wird das nicht.

Berlin - Zwei Wochen vor Weihnachten ist Angela Merkel im Prinzip genauso weit wie direkt nach dem 24. September. Am Abend des zweiten Adventssonntags kommt die Kanzlerin mit ihrem Vorstand in der Parteizentrale zusammen. Bei Schneetreiben und frostigen Graden draußen versucht sich die CDU auf Betriebstemperatur zu bringen für einen schwierigen Plan B. Nach geplatzten Jamaika-Träumen steht für Merkel schon wieder alles auf Null. Sie setzt auf GroKo, die dritte. Es ist die wohl letzte Variante für eine stabile Regierung.

Die Kanzlerin will auch angesichts internationaler Probleme eine Minderheitsregierung mit immer wechselnden Mehrheiten oder eine vorgezogene Neuwahl mit wohl weiter erstarkter AfD unbedingt vermeiden. Nun also wieder die SPD.

Wenn Merkel sich an diesem Mittwochabend mit SPD-Chef Martin Schulz und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer zusammensetzt, um fast drei Monate nach der Wahl die Chancen für eine neue Regierung auszuloten, ist kein Adventsfriede angesagt. Bürgerversicherung oder Vereinigte Staaten von Europa: Mit diesen Themen hat die SPD zwei Forderungen auf den Wunschzettel geschrieben, an denen eine ohnehin ungeliebte Fortsetzung der großen Koalition scheitern könnte.

Nachdem sich die SPD nach der unmissverständlichen Forderung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf ihrem Parteitag in einem quälenden Prozess durchgerungen hat, in Gespräche mit CDU und CSU einzusteigen, liegt der Ball nun wieder im Feld der Kanzlerin. Dabei ist vor Weihnachten nicht mehr zu erwarten, dass es tatsächlich weitreichende inhaltliche Gespräche oder schon Sondierungen gibt.

Für Merkel ist der schleppende Prozess ein Problem

Zwar wird auch ein zweites Gespräch in der am Mittwoch geplanten Secherrunde - Partei- plus Fraktionschefs - in der Woche vor dem Fest nicht ausgeschlossen. Aber richtig losgehen mit Verhandlungen dürfte es wohl erst in der zweiten Januarwoche. Dann will man aber schnell sondieren und auch nur in kleiner Runde. Fehler der Jamaika-Gespräche wollen beide Seiten nicht wiederholen, wie auch der Chef des Unions-Mittelstands Carsten Linnemann anmahnt: „Zuerst eine gemeinsame Richtung und Überschrift finden und erst dann in Details einsteigen!“

Vier Wochen lang hatte Merkel mit CSU, FDP und Grünen bis Mitte November oft in einer Riesen-Runde von mehr als 50 Verhandlern sondiert. Dann ließ FDP-Chef Christian Lindner Jamaika schon vor dem Einstieg in Koalitionsgespräche platzen. Begründung: Seine Partei sah keine ausreichende Vertrauensbasis.

Für Merkel ist der sich hinschleppende Prozess der Regierungsbildung ein Riesenproblem. Schon an diesem Donnerstag wird ihr das wieder vor Augen geführt. Dann reist sie zum Winter-EU-Gipfel nach Brüssel, wo es um die Weiterentwicklung Europas und die in der Union nur teilweise mitgetragenen Vorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron gehen soll. Die SPD im Nacken, deren Chef Martin Schulz immer wieder seine Nähe zu dem Franzosen betont, wird sich Merkel weitgehend zurückhalten müssen. Ein richtiges Mandat für Festlegungen hat sie als geschäftsführende Kanzlerin ohnehin nicht.

Vorher dürften beim schwarz-roten Treffen der Sechs am Mittwoch wieder die Gespenster Minderheitsregierung oder Neuwahl umgehen. Allein auch deshalb, weil niemand auf Drohpotenzial verzichten will. Beide Seiten hatten am Wochenende schon klar gemacht, wie unterschiedlich ihre inhaltlichen Schwerpunkte gelagert sind: vorrangig Sicherheit bei der Union, vorrangig Soziales bei der SPD.

Parteien setzen auf verbale Abrüstung

Andererseits setzt mancher wie Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff auch auf gegenseitige verbale Abrüstung. Er sei sich „ziemlich sicher, dass wir große Schnittmengen mit der SPD haben“, sagt er noch, ehe er am Sonntagabend zum wärmenden Adventsessen ins Adenauer-Haus geht. Man arbeite ja in einer Regierung zusammen. „Wir kennen uns seit vielen Jahren.“

Dass Merkel angesichts des miserablen Wahlergebnisses auch ihre Macht in den eigenen Reihen im Auge behalten muss, zeigen am Sonntagabend drei CDU-Nachwuchshoffnungen, die gerne mal gegen die „Chefin“ sticheln: Der Konservative Jens Spahn, der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring und Linnemann kommen Seite an Seite durchs Schneetreiben. Spahn hat erst kurz zuvor wieder mit Gedankenspielen über eine Minderheitsregierung von sich reden gemacht.