Den einen freut’s, dem anderen stinkt’s: Streit ums Grillen ist ein Justizklassiker. Foto: dpa

Der Streit ums Grillen auf dem Balkon oder im Garten von Mehrfamilienhäusern ist ein Justiz-Klassiker. Mit Beginn des Sommers geht die Streiterei wieder los.

Waiblingen/Stuttgart - Kaum einer kann deutsche Spießer so treffend vorführend wie Gerhard Polt. „Wozu hab ich eigentlich eine Drohne gekauft? Ich hab Ihre Schweinerei genau dokumentiert“, geifert er als Herr Brezner, einer seiner fleischgewordenen Nachbarschaftsalbträume in dem Programm „Ekzem Homo“. Um was gehts? Ums Grillen, neben der Kehrwoche einer der beliebtesten Anlässe, den Menschen neben, über oder unter einem im Haus mal richtig zu zeigen, wo der Hammer hängt. Wozu hat man schließlich eine Rechtsschutzversicherung?

Also wird munter geklagt, wenn die Nachbarn nicht wie gewünscht auf die Gängelei reagieren. So stinkt dem einen der Qualm, den die Holzkohle im oder das marinierte Fleischstück auf dem Grill erzeugen. Den anderen bringt wiederum in Rage, dass die Brezners dieser Welt partout nicht einsehen wollen, wie schön Grillen im Sommer doch ist. Und so prallen zwei Fraktionen aufeinander, von denen keine bereit ist, auch nur einen Fußbreit nachzugeben.

Wenn zwei sich streiten, lässt sich nur schwer schlichten

Vor Gericht kommt es dann zu den absurdesten Situationen. Denn die Richter müssen versuchen, einen Vergleich zwischen den streitenden Parteien herbeizuführen. Der ist diesen meist aber nicht beizubringen, außerdem wollen sie den ja sowieso nicht, sonst wären sie gar nicht vor den Kadi gezogen. Also versucht man einen Kompromiss auszuhandeln, wie in einem Fall im Stuttgarter Süden aus dem Jahr 1994. Dort hatten sich Mitglieder eine Wohnungseigentümergemeinschaft so zerstritten, dass sie sich sage und schreibe zehn Mal vor dem Amtsgericht trafen. Der Anlass: eine Familie wollte im gemeinsamen Garten grillen, was dem Rest jedoch stank. Doch offensichtlich nicht nur das, zwischen den Nachbarn gärten noch andere Zwistigkeiten.

Der Richter dachte sich einen salomonisch anmutenden Vorschlag aus: danach durfte die besagte Familie fünf Mal im Jahr nach zweitägiger Vorankündigung zwischen 18 und 21 Uhr im Garten grillen. Nach einer einjährigen Erprobungsphase sollte die Eigentümergemeinschaft entscheiden, wie es weitergehen sollte. Doch dazu kam es nicht, denn die Familie zog lieber wieder vor Gericht. An der vom Kadi zugewiesenen Stelle unter einem Holunderbusch auf dem steilen Grundstück könne man nicht auf vernünftige Weise Würste oder Fleisch brutzeln: „Wir grillen doch nicht kopfüber!“

Schließlich blieb es dann doch bei dem fünfmaligen Grillen. Der Richter entschied es so und legte den Streitwert sicherheitshalber so fest, dass eine weitere Instanz unmöglich wurde. Denn, wie hatte ein Beteiligter über die Nachbarn gesagt: „Die wollen nicht grillen, die wollen streiten.“

„Sprengstoff für die Nachbarschaft“

Ein Blick in das Zeitungsarchiv ergibt weitere Treffer: „Sprengstoff für die Nachbarschaft“, „Dem einen duftet’s, dem anderen stinkt’s“, „Das Grillwetter ist da, der Streit auch“. Jener ist tatsächlich ein Klassiker unter den Nachbarschaftzwisten, zu denen es nun sicher wieder landauf landab kommt. Und zwar ganz gewiss, wenn eine Drohne vor dem Balkon auftaucht.