Nach dem Ende der EU-Hilfen: Griechenlands Ministerpräsident Tsipras hat auf der Insel des Odysseus, Ithaka, das Ende der Irrfahrt verkündet. Griechenland stehe vor einem Neuanfang. Foto:  

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras reist extra auf die Insel des Odysseus, nach Ithaka, um seine Landsleute auf einen Neuanfang einzuschwören. Doch einfach wird das nach dem Ende der EU-Hilfen nicht.

Athen - Zum Ende des griechischen Hilfsprogramms verspricht Ministerpräsident Alexis Tsipras von der Insel des Odysseus den Griechen einen „neuen Anfang“. Viel zu feiern haben die Menschen allerdings nicht. Als am 23. April 2010 der damalige griechische Premier Giorgos Papandreou den drohenden Staatsbankrott ankündigte und nach Finanzhilfen der Europartner rief, wählte er für seinen dramatischen Appell die malerische Hafenkulisse von Kastellorizo, Griechenlands östlichster Insel. Papandreou verglich sein Land mit einem „sinkenden Schiff“ und das, was den Griechen nun bevorstehe, mit einer „Odyssee“.

Mehr als acht Jahre später fuhr am Dienstag der heutige Ministerpräsident Tsipras auf die Insel des Odysseus, nach Ithaka, um das Ende der Irrfahrt zu verkünden. Auf einer alten Festung, hoch über einer idyllischen Bucht, hatte das Staatsfernsehen ERT Kamera und Teleprompter aufgebaut. „Heute nimmt Griechenland sein Schicksal wieder selbst in die Hand“, sagte Tsipras. Das Land habe in den zurückliegenden Jahren „viele Stürme“ durchgemacht, erklärte der Premier unter Anspielung auf die Abenteuer des Odysseus. Die Demokratie in Griechenland sei „erniedrigt“ worden, „aber nichts hat uns in die Knie gezwungen“. Sparmaßnahmen von 65 Milliarden Euro hätten die Geldgeber den Griechen abverlangt, erinnerte Tsipras die Fernsehzuschauer.  „Unser Weg war nie einfach, aber wir hatten immer ein Ziel vor Augen, sogar in den dunkelsten Tagen.“

Tsipras schwebte mit dem Heli ein

Heute, so Tsipras, sei „der Tag der Erlösung und eines neuen Anfangs.“ Nicht weniger als eine „Wiedergeburt Griechenlands“ versprach der Premier, „ein Vaterland der Gleichheit, der Demokratie und der sozialen Gerechtigkeit.“ Anders als der Sagenheld Odysseus musste der Premier sich auf seiner Fahrt nach Ithaka weder mit Zyklopen herumschlagen, noch hörte er den betörenden Gesang der Sirenen, der in der Antike vielen Seefahrern zum Verhängnis geworden sein soll. Tsipras schwebte mit dem Heli auf dem Eiland ein.

So traf er auch nicht auf Sisyphos, dem Odysseus in der Unterwelt begegnete. Die Qualen des Sisyphos erinnern durchaus an das, was den Griechen noch bevorsteht. Auch wenn europäische Politiker jetzt nicht müde werden, das Rettungsprogramm als großen Erfolg hinzustellen, gibt es für die Griechen nicht viel zu feiern. Die Hilfskredite sind versiegt, aber einen Zugang zum Kapitalmarkt hat Griechenland noch nicht wiedergefunden, jedenfalls nicht zu vertretbaren Konditionen.

Die Schuldenerleichterungen haben einen hohen Preis

Die Rendite der zehnjährigen Anleihe lag am Dienstag bei 4,3 Prozent. Würde sich Athen zu diesen Zinsen jetzt frisches Geld leihen, wäre das ruinös. Griechenland ist von der in diesen Tagen oft beschworenen „Normalität“ angesichts einer Schuldenquote von über 190 Prozent der Wirtschaftsleistung noch weit entfernt. Um das Land nicht zu überfordern, setzten die Eurostaaten mit den im Juni gewährten Schuldenerleichterungen die Zins- und Tilgungszahlungen bis 2032 aus. Doch die Schuldenerleichterungen haben einen hohen Preis: bis 2060 soll Athen Jahr für Jahr im Haushalt einen Primärüberschuss von 2,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften. Damit bleibt das Land auf mehr als vier Jahrzehnte in einem engen Sparkorsett.

Dass Griechenland unter diesen Bedingungen zu einem kräftigen Wirtschaftsaufschwung zurückkehren und aus seinen Schulden herauswachsen kann, ist unwahrscheinlich. Die Ankündigung Tsipras’, für Griechenland beginne „eine neue Ära“, klingt deshalb reichlich optimistisch. Für den 1. Januar 2019 sind weitere Rentenkürzungen um bis zu 18 Prozent geplant. Ein Jahr später folgen Steuererhöhungen, die vor allem die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen treffen.

Der Spardruck bleibt, die Reformagenda ist längst noch nicht abgearbeitet. Die Vertreter der Gläubiger werden auch künftig alle drei Monate Athen in die Bücher schauen und den Fortgang der Reformen prüfen. Einziger Unterschied der „neuen Ära“: Es fließen keine Hilfskredite mehr.