Flüchtlinge aus verschiedenen afrikanischen Staaten sitzen in einem überfüllten Schlauchboot im Mittelmmer und verlassen gerade das libysche Territorium. Foto: AP

Die Europäische Union will Migrantenlager von Marokko bis Ägypten. Doch mit den arabischen Regierungen hat bisher noch niemand über diese Idee gesprochen. Die nämlich lehnen Auffangzentren in ihren Ländern ab.

Tunis - Das Papier des EU-Gipfels spricht vage von „regionalen Anlauf-Plattformen in enger Kooperation mit relevanten Drittstaaten“. Doch jeder weiß, was und wer gemeint ist. Denn im Streit um eine bessere Kontrolle der EU-Außengrenzen schweift der Blick aus Brüssel auch jetzt wieder zu den arabischen Mittelmeeranrainern in Nordafrika - Ägypten, Libyen, Tunesien, Algerien und Marokko. Um die Zahl der Flüchtlinge und Migranten zu senken, möchte Europa auf deren Territorien Auffangzentren einrichten, wo Ankommende registriert und ihr Asylanliegen geprüft werden kann. Aus der Sicht Europas ein einleuchtende Lösung, weil sie die gefährlichen Bootsüberfahrten zu Wasser beenden und schon außerhalb der EU-Grenzen diejenigen identifizieren, die keine Chance auf Asyl oder Anerkennung als Flüchtling haben. Man würde den Schleppern das Handwerk legen und müsste gleichzeitig die Abgelehnten nicht mehr in umständlichen Verfahren von Europa aus abschieben.

Brüssel schaut besonders nach Libyen

Mit den arabischen Partnern gesprochen jedoch hat bisher niemand, entsprechend gereizt sind die Antworten aus den Hauptstädten Nordafrikas. Im Fokus der Europäer steht vor allem Libyen, über das bisher die meisten Menschen auf die Boote gingen. Das Land ist tief gespalten, in vielen Regionen dominieren bewaffnete Milizen. In Tripolis sitzt die international anerkannte Regierung unter Premierminister Fayez al-Sarraj. Im Osten herrscht Ex-General Khalifa Haftar mit seiner „Libyschen Nationalarmee“. Für die Regierung in Tripolis stellte Vize-Regierungschef Ahmed Maiteeg noch einmal klar, man sei gegen jedwede Flüchtlingslager in Libyen. Das Gleiche denkt sein Machtrivale Haftar.

Ähnlich kategorisch reagierten auch Ägypten, Marokko und Tunesien. Tunesien ist bisher kein Durchgangsland für afrikanische Migranten. Die meisten, die von seiner Küste nach Italien übersetzen, sind Einheimische. In Tunis fürchtet man einen Aufruhr in der Bevölkerung, wenn künftig gerettete Bootsflüchtlinge nicht mehr in Italien, Malta oder Spanien an Land gebracht werden, sondern in den Häfen von Tunis, Sousse oder Sfax. Auch könnten abgelehnte Zuwanderer aus den EU-Lagern einfach verschwinden und untertauchen, um ihrem Rücktransport nach Hause zu entgehen. Tunesiens Gesellschaft sei schon jetzt geprägt von weit verbreiteter politischer und wirtschaftlicher Unzufriedenheit, erklärte Stefano M. Torelli, Migrationsexperte beim „European Council on Foreign Relations“. In dieser Situation könnte eine große Zahl schwarzafrikanischer Flüchtlinge Unruhen oder gar eine Staatskrise auslösen. „Unsere Antwort ist ein klares Nein“, erklärte dann auch Tahar Sherif, Tunesiens Botschafter in Brüssel. „Wir haben weder die Möglichkeit noch die Mittel, dies zu managen.“

Algerien schiebt rabiat ab

Als „leichtfertig und kontraproduktiv“ bezeichnete auch Marokkos Außenminister Nasser Bourita die EU-Vorschläge. „Marokko hat stets und lehnt auch jetzt solche Methoden ab, um den Strom der Migranten zu managen“, erklärte er in Rabat. Nachbar Algerien, der bewusst von der EU keine Hilfsgelder für Flüchtlinge annimmt, dagegen schickt Migranten möglichst umgehend nach Hause zurück. Seit Monaten verhaften Algeriens Sicherheitskräfte systematisch Zuwanderer aus Subsahara-Afrika, verladen sie in Busse und transportieren sie in Richtung Mali und Niger. 14.000 Menschen, darunter Frauen und Kinder, wurden in der Wüste ausgesetzt und mussten in sengender Hitze zu Fuß über die Grenze gehen – ein Vorgehen, was von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert wird. Migranten seien „eine Quelle von Kriminalität und Drogen“, begründete dagegen Ministerpräsident Ahmed Ouyahia seinen rabiaten Kurs. „Das algerische Volk muss vor Chaos geschützt werden.“