Umweltschützer streiten sich, wer am besten die Meere vor Ausbeutung schützen kann.

Stuttgart - Eigentlich sollten sie dem Verbraucher eine Hilfe sein, doch sie bewirken genau das Gegenteil. Weil die Umweltorganisationen Greenpeace und der WWF verschiedene Ansichten davon haben, was Nachhaltigkeit bedeutet, geben sie unterschiedliche Empfehlungen zum Kauf und Verzehr von Fischen.

Die Überfischung der Meere ist längst nicht mehr nur ein Thema für idealistische Umweltaktivisten, sie ist ein reales Problem - auch für die Wirtschaft. An den Tieren hängt eine Milliardenindustrie. Laut der Umweltstiftung WWF isst jeder Deutsche 16,4 Kilo Fisch im Jahr. Für den deutschen Markt werden jedes Jahr fast zwei Millionen Tonnen Fisch geliefert. In Deutschland sind laut dem Bundesverband der deutschen Fischindustrie und des Fischgroßhandels 41.000 Beschäftigte abhängig von der Branche. "Die Natur braucht den Handel", lautet die Botschaft des WWF, mit der er für eine Strategie wirbt, die Industrie und Umwelt den Fortbestand sichern soll. Das funktioniert nur mit einer nachhaltigen Fischpolitik im Handel.

Überfischte Arten aus dem Sortiment nehmen

Das Gleiche fordert Greenpeace. Am Mittwoch, 16. November 2010, veröffentlichte die Umweltschutzorganisation ihr Ranking, in dem sie Punkte an Händler verteilt, je nachdem wie gut sie sich darum kümmern, dass die Nachhaltigkeit der Fischprodukte in ihrem Sortiment gewährleistet wird. Das bedeutet etwa, dass überfischte Arten aus dem Sortiment genommen werden. Auf dem letzten Platz landet bei dem Ranking die Metro Group. "Sie hat für ihre Vertriebsmarken Cash & Carry und Real keine einheitliche Einkaufspolitik", sagt Iris Menn, Meeresexpertin von Greenpeace. "Derzeit arbeiten wir an der Abstimmung einer konzernweit einheitlichen Einkaufsrichtlinie für Fisch, die im kommenden Jahr verabschiedet werden soll", sagt eine Sprecherin der Metro Group.

Auch Aldi Nord und Kaiser's Tengelmann landen auf den hinteren Plätzen. "Ihre Kriterien, was eine nachhaltige Sortimentsgestaltung betrifft, sind zu schwach", sagt Menn. Edeka schneidet beim Greenpeace-Ranking mittelprächtig ab. Das Unternehmen wolle seine Fangmethoden und den Ort nicht offenlegen, sagt Iris Menn. Der WWF dagegen lobt den Supermarkt.

Die Edeka-Gruppe habe sich als größter Fischanbieter Deutschlands dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2012 nur noch Fischprodukte zu verkaufen, die das MSC-Siegel tragen. Die Abkürzung steht für Marine Stewardship Council. Es handelt sich um ein internationales Nachhaltigkeitszertifikat. "MSC ist eine gute Wahl", heißt es in einem WWF-Ratgeber. Die Organisation unterstützt die Verbreitung des Siegels.

Nachhaltig oder nicht?

Greenpeace ist anderer Meinung. "Leider bekommen immer mehr Fischereien dieses Siegel, obwohl sie unserer Meinung nach nicht nachhaltig wirtschaften", sagt Iris Menn. Parallel dazu sei zu beobachten, dass die Nachfrage nach diesem Siegel immer stärker ansteige.

"Das MSC-Siegel ist durch wissenschaftliche Studien untermauert, darauf lassen wir nichts kommen", sagt Karoline Schacht, WWF-Fischereiexpertin. Auch Christopher Zimmermann vom VTI-Institut für Ostseefischerei unterstützt das Siegel. Im Institut arbeiten Wissenschaftler, die auf Basis eigener Forschungen für Politiker Entscheidungshilfen erarbeiten. "Das MSC-Siegel geht nicht nur an Fischereien, die perfekt sind, sondern auch an diejenigen, die auf einem guten Weg sind", sagt Zimmermann. Gute Fischereien sollen den Anreiz haben, besser zu werden. "Ich fürchte, dass es Greenpeace nicht nur um die Sache geht, sondern dass man versucht, sich als einzig wahre Nichtregierungsorganisation zu positionieren und darüber Spendengelder zu generieren." Die Argumente von Greenpeace gegen das Siegel seien "aus wissenschaftlicher Perspektive nicht stichhaltig".

Das Problem sei, dass die einander widersprechenden Botschaften verschiedener Organisationen sowohl im Handel als auch bei den Verbraucher Verwirrung stifteten, sagt Zimmermann. "Viele denken: Dann kann ich es gleich lassen." Er rät, sich mit gebührender Distanz aus Ratgebern unterschiedlicher Organisationen zu informieren.