Eine Linsentrübung schränkt die Sehfähigkeit beim grauen Star immer weiter ein. Ein Linsen-Implantat kann Patienten helfen. Foto: Fotolia

Früher erblindeten viele Menschen am grauen Star. Heute lässt sich die Linsentrübung mit einer Operation verhindern.

Korntal/Stuttgart - Siegfried Betzler konnte auf einem Spaziergang die einzelnen Blätter der Bäume nicht mehr erkennen. Sie waren zu einem schwummrigen Grün geworden, das die Äste umgab. Später sagten ihm die Ärzte, dass zu diesem Zeitpunkt der graue Star in seinem rechten Auge schon fortgeschritten war. Betzler hatte einfach nicht gemerkt, wie nach und nach seine Sehkraft schwand – vielleicht weil sein linkes Auge noch gesund war. Im Winter 2013 war der 63-Jährige aus Korntal auf dem rechten Auge fast erblindet. „Ich konnte nur noch hell und dunkel unterscheiden.“ Auch dreidimensionales Sehen war dadurch unmöglich geworden.

Im Stuttgarter Katharinen-Hospital begegnet Florian Gekeler vielen Patienten, die Ähnliches berichten wie Siegfried Betzler. „So geht es vielen grauen-Star-Patienten“, sagt der Leiter der Augenklinik. Der graue Star, auch Katarakt genannt, ist eine Trübung der Linse. „Das ist ein ganz natürlicher Alterungsprozess.“ Durch die Trübung gelangt kein Licht durch die Linse. Je nachdem, wo die sie auftritt, kann ein kleiner grauer Fleck dazu führen, dass die Sehkraft merklich schwindet. So war es auch bei Betzler. Wenn er sein Auge im Spiegel betrachtete, war keine Trübung zu erkennen.

Die Hälfte aller Menschen zwischen 52 und 64 Jahren hat einen grauen Star, ohne es zu bemerken. Bei den 65- bis 75-Jährigen sind bereits mehr als 90 Prozent von dem Augenleiden betroffen, wie der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands mitteilt. Der Name „Star“ kommt von „starren“, weil die Betroffenen früher meist blind wurden und ihr Blick ausdruckslos. Auch heute gilt die Linsentrübung als weltweit häufigster Erblindungsgrund.

Umso wichtiger ist es, die Krankheit frühzeitig behandeln zu lassen, sagt der Augen-Experte Gekeler. Ein Hinweis auf eine Linsentrübung ist, wenn man schneller das Gefühl hat, von der Sonne geblendet zu werden. „Das ist vergleichbar mit einer schmutzigen Windschutzscheibe. Auch dann wird man beim Autofahren eher geblendet.“

Um ein Fortschreiten der Linsentrübung zu verhindern, muss ein chirurgischer Eingriff vorgenommen werden: In einer Operation wird die getrübte Linse mit Hilfe eines Ultraschallgeräts zertrümmert, abgesaugt und durch eine Kunststofflinse ersetzt. So ein Linsenaustausch findet alleine in Deutschland pro Jahr etwa 650 000 Mal statt und dauert nur wenige Minuten.

Doch was für die Ärzte ein Routineeingriff ist, braucht für den Patienten viel Überwindung. Denn die Scheu davor, sich am Auge operieren zu lassen, ist groß. Dabei kann man am Auge nur eingeschränkt Schmerz verspüren. „Nur die Regenbogenhaut ist schmerzempfindlich, aber sie wird bei der Operation nicht berührt“, sagt Gekeler.

Es muss auch nichts genäht werden. Beim so genannten Tunnelschnitt verheilt die Wunde auch ohne Nähte. Der Innendruck des Auges sorgt dafür, dass die Wunde nicht aufgeht. Allerdings darf von außen kein Druck auf die Augen ausgeübt werden. Wer sich also bei Müdigkeit gerne die Augen reibt, muss sich nach einer Kataraktoperation zusammenreißen. Auch Wasser darf nicht in die Augen geraten. Dafür gibt es in Apotheken transparente Abdeckungen, die man beim Duschen über die Augen kleben kann. Drei bis vier Wochen dauert es, bis die Hornhaut wieder verwachsen ist.

Komplikationen treten in zwei Prozent der Fälle auf. Etwa, wenn der Kapselsack – die natürliche Hülle, in der die Linse liegt – nachträglich eintrübt. Das ist aber heilbar.

Der Augen-Experte Gekeler rät aber dazu, in keinem Fall einen Linsenaustausch an beiden Augen gleichzeitig vornehmen zu lassen. Sollte bei dem Eingriff etwas schief laufen, ist das Risiko so geringer, das Augenlicht durch die OP vollständig zu verlieren.

Doch so modern die Medizin auch ist, eines können die starren Kunststofflinsen noch nicht: sich auf jede Entfernung einstellen. Der Patient muss sich entscheiden, ob er eine Linse haben möchte, die ihm das Sehen in die Ferne erlaubt, oder ob er in die Nähe scharf sehen will. Zusätzlich braucht es dann aber eine Brille.

Zwar gibt es auch Weiterentwicklungen der Kunststofflinsen, die wie eine Gleitsichtbrille das Sehen in die Ferne und in mittlere Entfernungen erlaubt. Eine Lesebrille wird dennoch notwendig sein. Hinzu kommt der Preis: Die gesetzlichen Krankenkassen erstatten nur die Kosten für die einfachen Kunststofflinsen. Die Weiterentwicklungen der Linsen kosten nach Angaben der AOK zwischen 500 und 1000 Euro pro Auge. Dazu kommen weitere Kosten durch die Behandlung.

Siegfried Betzler hat sich für eine teurere Linse entschieden – und ist zufrieden. Schon einige Wochen nach der Operation konnte er wieder ohne Einschränkungen sehen. „Wenn ich jetzt einen Baum anschaue, kann ich endlich wieder einzelne Blätter sehen und Äste, die mir entgegenwachsen.“