Stillstand auf der Bühlerhöhe bei Baden-Baden, Zwangspause für das Römerbad in Badenweiler: einst illustre Grandhotels kämpfen um ihre Neu- und Wiederbelebung.
Badenweiler - Das Hotel ist im Moment wegen Renovierungsarbeiten geschlossen“ – und das mitten in der Saison. Nicht irgendeines, sondern das Grandhotel Römberbad im südbadischen Kurort Badenweiler ist seit Anfang April außer Betrieb. „Ich gehe davon aus, dass die Betreiber alles dafür tun, das Hotel möglichst schnell wieder zu öffnen“, sagt der Badenweiler Bürgermeister Karl-Eugen Engler, um alle Zweifel zu zerstreuen. Das Oberhaupt der 4000 Einwohner zählenden Kurgemeinde ist verärgert über seiner Meinung nach „einseitige Pressemeldungen“, wo sich doch das einstige Vorzeigehotel in den vergangenen Jahren positiv entwickelt habe.
Doch Fakt ist auch: die Betreibergesellschaft des 1823 gebauten, zauberhaft schönen, mit seiner verschnörkelten Fassade im Schatten uralter Bäume stehenden Prachthotels hat Insolvenz angemeldet. Aber nur für die Firma Panacée Betriebsgesellschaft, die Arbeitgeberin von derzeit noch 16 von früher 43 Beschäftigten. Die Immobilie gehört einer anderen Gesellschaft, beide werden von thailändischen Eigentümern geführt, die vor drei Jahren die Anteile der früheren spanischen Betreiber erworben haben. Seither gibt es im Hotel auch Zelltherapien, ein Verjüngungsprogramm und Vitamin-C-Kuren.
Auch der Brandschutz macht Probleme
Dass ein altehrwürdiges Kulturdenkmal viel Geld kosten kann, mussten die Investoren zu Beginn dieses Jahres lernen, als eine Brandschau des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald erhebliche Defizite im Brandschutzkonzept zu Tage förderte. Die Betriebsgenehmigung wurde vorerst entzogen, und die bereits begonnenen Umbauarbeiten mussten neu genehmigt und ausgeweitet werden. „Das und nicht eine unternehmerische Schieflage“, betont der Bürgermeister Engler, sei der Grund für die Insolvenz. Neue Sprinkleranlagen, Brandschutztüren und Notausgänge kosten viel Geld, es ist nicht bekannt, wie viel, denn der Hoteldirektor antwortet auf schriftliche Nachfragen nicht.
Über zwei Jahrhunderte war das Grandhotel Römerbad wirklich „großes Kino“. Fürsten und Dichterfürsten stiegen dort ab. Darunter der „Zauberberg“-Autor Thomas Mann, wenn er seinen Freund und Kollegen René Schickelebesuchte. Konzerte und Literaturtage sorgten für intellektuelles Flair. Doch diese Zeiten sind vorbei, und in den letzten beiden Jahrzehnten haben sich mehrere Betreiber an dem Hotel mit 66 Zimmern und Suiten, die 160 bis 280 Euro pro Nacht kosten, abgearbeitet. Die jetzige Insolvenz ist bereits die dritte in den vergangen sieben Jahren.
Auch 150 Kilometer weiter nördlich ruht der Hotelbetrieb in einem anderen edlen Etablissement. Die Internetseite des Schlosshotels Bühlerhöhe an der Schwarzwaldhochstraße heißt zwar Besucher unverdrossen „herzlich willkommen inmitten der Bilderbuchlandschaft des nördlichen Schwarzwaldes – erhabene 800 Meter hoch gelegen und nur 15 Kilometer vom eleganten Baden-Baden entfernt“. Doch der Versuch, die Präsidenten-Suite oder auch nur ein Einzelzimmer zu buchen, ist vergeblich, niemand nimmt das Telefon ab, E-Mails bleiben unbeantwortet. Auch auf der Bühlerhöhe müsste der Brandschutz und noch vieles andere für einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag auf einen neuen Stand gebracht werden.
Eine Nobelherberge, die einst Soldatengenesungsheims war
Gebaut wurde der neobarocke Koloss an der Schwarzwaldhochstraße als Soldatengenesungsheim von 1912 an von der Offizierswitwe Hertha Isenbart. Sie brachte sich um, bevor der Bau fertig war, dieser ging dann durch viele Hände. Max Grundig ließ ihn 1988 zum Luxushotel ausbauen, 1999 erwarb ihn der SAP-Gründer Dietmar Hopp und verkaufte ihn wenig später an ein Konsortium von Stammgästen. Darunter war die ehemalige Schönheitskönigin der Ukraine, Natalia Kozitskaya, die Gattin des ukrainischen Multimillionärs Igor Bakai. Da die Ukrainer die letzte Rate des Kaufpreises nicht zahlten, ging das Hotel in Insolvenz und wurde von der kasachischen Firma Castle-Invest erworben. Die Neueröffnung wurde immer wieder angekündigt und immer wieder verschoben.
In Badenweiler wie auf der Bühlerhöhe rätselt man gleichermaßen über die intransparenten finanziellen Hintergründe und die Absichten der ausländischen Investoren. Fachleute bemängeln fehlende Marketingkonzepte. „Es ist schwer, ein solches Hotel so zu führen, dass es sich betriebswirtschaftlich rechnet“, räumt Marc Aeberhard (48) ein. Der international erfahrene Hotelmanager aus der Schweiz hat First-Class-Hotels in Sri Lanka, auf den Seychellen, auf Zypern und den Malediven geleitet und ist Berater der Internationalen Tourismus-Börse ITB in Berlin für das Luxus-Segment. „Eine Massentauglichkeit ist nicht möglich“, glaubt Aeberhard. Dafür seien die alten Häuser zu klein und die Kosten zu hoch. Massenpublikum verscheuche zudem die scheue Klientel, die Ruhe und Exklusivität suche.
Was die Reichen heute wollen
„Der Luxusbegriff hat sich gewandelt“, schildert Aeberhard seine Beobachtungen. „Hotelgäste für Top-Kategorien wollen kein Bling-Bling mehr“. Stilvolles Ambiente sei eine selbstverständliche Voraussetzung, aber nicht der Grund, ein Hotel zu buchen. „Exklusivität, Raum und Zeit, individueller Service rund um die Uhr, Sicherheit und Gesundheit“ zählt Aeberhard ein paar Entscheidungskriterien auf. „Gäste, die vierstellige Preise für eine Übernachtung zahlen können, verlangen viel. Manchmal schier Unmögliches“, sagt der Manager lächelnd. Es ist ihm schon gelungen, einem internationalen Popstar und seiner Entourage den Wunsch zu erfüllen, sich bei den Mahlzeiten nicht von fünf Stunden Zeitverschiebung einschränken zu lassen. Oder einer königlichen Hoheit protokollferne Ungezwungenheit zu bieten.
„Hotels, die Spitzenklasse sein wollen, gibt es mehr als genug“, erklärt Aeberhard. Für die Bühlerhöhe hat er schon vor Jahren ein Konzept vorgelegt, doch er hört vom Auftraggeber Castle-Invest nichts mehr. Ob die Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland den Kapitaltransfer zwischen Ost- und Westeuropa einschränken oder ob sich der Investor mit mehreren Objekten im Raum Baden-Baden schlichtweg überhoben hat, weiß niemand. Still und leise hat jedenfalls der alte Lotse das sinkende Schiff Bühlerhöhe verlassen: Der Hotelier Reto Schumacher (68), ebenfalls ein Schweizer, hatte das Hotel im Spätjahr 2013 zum letzten Mal geöffnet.
Das Haus ist übrigens ein „Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung“ nach dem baden-württembergischen Denkmalschutzgesetz. So etwas vergammeln zu lassen ist nicht erlaubt. Allein Strom und Heizung kosten daher jährlich fast 100 000 Euro – auch ganz ohne Gäste.