Die Kukharenko Brothers kennen keine Höhenangst. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Sinnlichkeit, Tanz und große Show: „Grande Revue“ im Friedrichsbau bietet eine schillernde Alternative zu tristen Wintertagen.

Stuttgart - Neue Gesichter, alte Freunde. Und: „Auch viele alte Freunde mit neuen Gesichtern“ erspäht Mr. C, der freche Conférencier des Abends, durch sein Scheinwerferfernglas. Wenn man von jemandem behaupten kann, eine schillernde Persönlichkeit zu sein, dann von ihm: Bei Mr. C schillert alles. Der Anzug, der Hut, die Zähne – es gibt nichts, was das Rampenlicht nicht funkeln lässt. Zu Beginn lässt er wissen: „Unsere Show-Girls sind Scheu-Girls“. Deshalb muss der Applaus donnern, damit sich auch alle auf die Bühne trauen.

Ralph Suns neueste Inszenierung im Friedrichsbauvarieté, die der Stadt über die tristen Wintermonate hinweghelfen soll, heißt „Grande Revue“. Eine stetig wiederkehrende Künstlerin ist neben Mr. C die Sängerin Cassie McIvor. Mit den „Vegas Showgirls“ im Rücken, Tänzerinnen mit viel Körperbeherrschung und wenig Körperbedeckung, performt sie zwischen den akrobatischen Einlagen der Kollegen eine Handvoll Songs. Was mit „Big Spender“ stark beginnt, verliert sich leider zu sehr im Pop, in Club-Hits und Balladen: Bei Titeln wie „Chandelier“ (der australischen Songwriterin Sia) oder „Ashes“ (bekannt durch die Interpretation Céline Dions) kann McIvor zwar ihre starke Stimme beweisen – das Premierenpublikum lässt sich davon jedoch selten mitreißen.

Ganz anders die Reaktionen auf die Kukharenko Brothers: Nikolay und Anatoliy Kukharenko sorgen für ein frühes Highlight, wenn sie mit ihren Leitern auf die Bühne stürmen. Wo andere schon nach der dritten Sprosse der Höhenangst anheimfallen und andere bitten, die Leiter auch wirklich konzentriert festzuhalten, klettern die beiden mühelos an ihren Geräten hinauf, ohne diese irgendwo anzulehnen. Auf den wackligen Utensilien balancierend, lassen sie lässige Überschläge und Verrenkungen folgen.

Intime Partnerakrobatik

Im Vergleich zur letzten Show im Friedrichsbauvarieté geht’s ansonsten aber weniger halsbrecherisch zu. „Grande Revue“ besinnt sich aufs Sinnliche, auf Tanz und natürlich auf die große Show. Die adretten Kostüme gemahnen mitunter an den Karneval in Rio, Mr. C erinnert stets daran, dass es „fabulous“ wird.

Den dramaturgischen Höhepunkt beschert indes das kaum kostümierte Duo Cécile Magdeleine und Roman Bonaton. Seit Helga Feddersen und Didi Hallervorden hat kein Paar mehr mithilfe einer Badewanne dermaßen Furore gemacht: Mal zirkeln beide an Strapaten darüber hinweg, mal räkeln sich beide im Nass darinnen, später tragen sie einander in der Luft. Anspruchsvolle, aber gleichzeitig auch wie beiläufig vorgetragene, intime Partnerakrobatik, die man in dieser Eleganz selten sieht. Besonders die später auch in einer Solonummer am Luftring wirbelnde Cécile Magdeleine scheint ihren Partner regelrecht fertigzumachen. Er hängt am Ende besinnungslos über dem Badewannenrand: „I think this is the moment for a small Pause!“, ruft rettend Mr. C, der immer wieder zwischen Englisch und Deutsch wechselt.

Aufgrund des fehlenden roten Fadens, den der Titel „Grande Revue“ freilich auch nicht verspricht, zieht die Show ihr Publikum leider nicht so in den Bann, wie es vorherigen Inszenierungen gelang. Statt pausenlosem Staunen gibt es aber vereinzelte Hingucker, die sogar aus dem Dickicht an Showgirls herausragen. Geringerer Nervenkitzel, dafür etwas mehr Lametta: Passt doch ganz gut zur staden Zeit.