Peter Laenger, Stephan Schellmann, Markus Heiland und Andreas Neubronner Foto: privat

Seriensieger: Die Cannstatter Musikproduktionsfirma Tritonus hat zum 15. Mal einen Grammy im Bereich klassische Musik gewonnen.

Bad Cannstatt - Es sieht aus wie ein gewöhnliches Wohnhaus. Durch ein schmiedeeisernes Tor geht es zum Hauseingang des Mehrfamilienhauses auf dem Seelberg. Im Treppenhaus parken Kinder-Fahrräder neben den Briefkästen. Einzig das Klingelschild gibt einen Hinweis darauf, dass sich in dem sandsteinfarbenen Haus nicht nur Wohnungen verbergen. Tritonus Musikproduktion ist auf dem untersten Klingelschild zu lesen. Tritonus, das sind Markus Heiland, Stephan Schellmann, Peter Laenger und Andreas Neubronner. Die Tonmeister haben im Januar den 15. Grammy nach Bad Cannstatt geholt, womit sie sogar Stars wie Michael Jackson hinter sich gelassen haben, der im Lauf seines Lebens 14 Auszeichnungen gewonnen hat.

Geehrt wurden in diesem Jahr Laenger und Schellmann für ihre bei ECM erschienene Aufnahme „Arvo Pärt: Adam’s Lament“, die im November 2011 in einer Kirche im estnischen Tallinn aufgenommen worden ist. Die Cannstatter Tonmeister sind erfolgreich in einem seltenen Job mit starker Konkurrenz: „In Deutschland gibt es nur wenige Hundert Tonmeister im Bereich klassische Musik“, sagt Neubronner.

Große technische Veränderungen

Und selbst für diese überschaubare Zahl würde der deutsche Markt allein nicht zum Überleben reichen: „Wir sind ständig unterwegs“, sagt Laenger. Vor allem ins europäische Ausland, aber auch bis in die USA oder nach Japan reisen die Tonmeister aus Bad Cannstatt, die mit vier Mann in der Branche nach eigener Aussage schon beinahe als Großbetrieb gelten. Wenn möglich, nutzen sie dafür den Landweg: Bis zu 900 Kilogramm technische Ausrüstung haben sie im Gepäck, da wird ein Flug zur logistischen Meisterleistung. Für die Aufnahmen in Kirchen, Konzertsälen und Studios müssen kistenweise Kabel, Mikrofone, Laptops, Verstärker und mehr angekarrt werden. Zwischen drei und fünf Tagen dauern die Aufnahmen im Regelfall, je nach Umfang des Projekts sind die Tonmeister entweder allein, zu zweit oder zu dritt unterwegs. Weitere 30 bis 40 Stunden dauert dann die Nachbearbeitung in dem Studio, das die Tritonus Musikproduktion 1987 im Souterrain des Hauses auf dem Seelberg eingerichtet hat.

Technisch hat sich seit der Firmengründung viel getan: „Anfangs haben wir mit großen Spulen-Tonbandgeräten gearbeitet“, erinnert sich Laenger. Diese wurden Mitte der 90er Jahre von Computer-Schnittplätzen abgelöst, die aber noch als massige Geräte daherkamen, wie ein Relikt im Cannstatter Studio zeigt. Inzwischen arbeiten die Tontechniker am Laptop oder Flachbildschirm. Aus den Aufnahmen unterschiedlich im Raum positionierter Mikrofone wählen sie die gelungensten aus und fügen die Einzelteile zum Gesamtwerk zusammen. Im Gegensatz zu Sounddesignern, die zum Beispiel einem Popsong Effekte hinzufügen, versuchen die Tonmeister im Bereich der klassischen Musik einen möglichst unverfälschten „Bio-Klang“ zu erzeugen, wie es Neubronner nennt. „Natürlich ist es immer auch Geschmackssache, welche Sequenz die beste ist.“ Die Chemie zwischen Künstler und Tonmeister muss deshalb stimmen. Nicht zuletzt ist der Tonmeister während der Aufnahmen zugleich Coach und einziger Ansprechpartner des Künstlers, gibt Ratschläge, macht Verbesserungsvorschläge, motiviert und beruhigt den oder die Musiker. „Wir verstehen uns als so etwas wie die Geburtshelfer einer Aufnahme.“

Bad Cannstatt als optimaler Standort

Eher zufällig ist das aus einem Schwaben, einem Hessen, einem Franken und einem Bremer bestehende Quartett in Stuttgart hängen geblieben: „Wir waren im selben Studio angestellt, bevor wir uns gemeinsam selbstständig gemacht haben“, sagt Heiland. Im Nachhinein sei das aber ein Glücksgriff gewesen: „Von Stuttgart aus ist sternförmig fast jedes europäische Ziel gut zu erreichen“, so Neubronner. Bad Cannstatt sei für kleinere Gewerbetreibende ein optimaler Standort in der Landeshauptstadt: „In wenigen Minuten erreichen wir zu Fuß Geschäfte und Reisebüros sowie U- und S-Bahn.“

Zur Verleihung der Grammy-Awards fliegt das Quartett übrigens nicht, die feierliche Verleihung ist den populären Bereichen vorbehalten. Nach Bad Cannstatt gelangen Urkunde und die mehr als zwei Kilogramm schwere goldene Trophäe in Form eines Grammophons per Post. Als sie 1989 ihren ersten Grammy gewonnen hätten habe es nicht einmal eine Trophäe gegeben, erinnert sich Laenger. „Unsere erste Auszeichnung bestand in einer Urkunde.“