Ist der Zeige- oder der Mittelfinger gereckt? Mahnende oder obszöne Geste? Foto: Tanja Kurz

Der ebenso renommierte wie umstrittene spanische Street-Art-Künstler Sam3 hat eine Fassade in Hessental gestaltet, einem Ortsteil von Schwäbisch Hall. Das wandfüllende Werk löst Diskussionen aus.

Schwäbisch Hall - So mancher Reisende, der aus dem Zug steigt, reibt sich die Augen. Der verkommene Bahnhof in Hessental passt so gar nicht zum schmucken Image von Schwäbisch Hall. Ebenso wenig wie eine große Industriebrache mit verfallenen Hallen auf der anderen Straßenseite. Intakt ist auf dem Gelände der früheren Fassfabrik nur noch ein schmales Hochhaus: das 1963 eingeweihte Karl-Kurz-Haus. 13 mal 20 Meter misst dessen schmale Seite, die nun ein spektakuläres Fassadengemälde trägt: eine schwarze Schattengestalt mit vielen Einblicken und einem erhobenen Finger, auf dem ein kleines Figürchen tanzt. Geschaffen haben es der spanische Street-Art-Künstler Sam3 und sein Kollege David im Rahmen eines Festivals für urbane Kunst mit dem Titel „Metropolink #03“.

Sam3, der sich nicht fotografieren lässt und Interviews verweigert, ist kein Irgendwer in der Szene. Mit seinen ironischen, poetischen, provozierenden Silhouetten ist der Spanier in Madrid, Rom, Paris, Atlanta oder Buenos Aires vertreten, er hat ein viel beachtetes Wandgemälde auf der Mauer zwischen Jerusalem und Bethlehem geschaffen und mit dem berühmten britischen Street-Art-Künstler Banksy gearbeitet. Für Furore sorgte der 44-Jährige jüngst in der südspanischen Stadt Santa Pola. Er bemalte dort – illegal – einen Osborne-Werbestier mit Motiven aus Picassos Gemälde „Guernica“ und löste damit eine Debatte aus: Ist das Kunst oder kann das weg?

Zeige- oder Stinkefinger?

Für Diskussionen sorgt sicher auch das Gemälde in Schwäbisch Hall-Hessental. In den sozialen Netzwerken wird vor allem der gereckte (Zeige- oder Mittel-)Finger thematisiert: obszöne Geste oder mahnender Wink? Die meisten Besucher aber sind von der Arbeit begeistert, allen voran die Eigentümer des Karl-Kurz-Hauses.

Für Silvia Cordes war schnell klar: „Der oder keiner!“ Spontan hat die Familie ihre Zustimmung zu der Gestaltung gegeben. Ein Glücksfall für den Festival-Initiator Pascal Baumgärtner, der sich für die 26 Fassaden, die im Rahmen von Metropolink gestaltet werden, schon oft mit Ämtern oder Inhabern herumschlagen musste. „Bisweilen gibt’s richtig Streit“, sagt er, nicht jeder könne mit der kühnen Ansage der Künstler umgehen: „Wir wollen ihr Haus anmalen, wir wissen nicht womit, wir wissen nicht bis wann, wir wissen nur, dass.“

Drei Tage lang haben Sam3 und David auf einer Teleskop-Arbeitsbühne in schwindelerregender Höhe gepinselt. Ihre Schattenfigur wird nicht mehr lange über einer Industriebrache wachen: Demnächst wird das Areal für 30 Millionen Euro saniert. 10 000 Euro hat sich die Stadt die Beteiligung an „Metropolink“ kosten lassen. Der spektakuläre Zugang zum geplanten neuen Dienstleistungszentrum kommt sie also relativ günstig.

www.metropolink-festival.net