Diese keltische Goldperle stammt aus dem Fürstengrab auf der Heuneburg bei Herbertingen Foto: dpa

Die Entdeckung eines keltischen Fürstengrab bei Hebertingen ist eine Sensation.

Die Kelten beherrschten Mitteleuropa mehr als 700 Jahre. Ihre Toten bestatteten sie in prächtigen Gräbern. Eines davon, das auf der Heuneburg entdeckt wurde, wird derzeit untersucht. Im Sommer werden Ergebnisse präsentiert.

Sie waren Berserker, die in der Schlacht tollkühn über ihre Feinde herfielen und den Besiegten die Köpfe abschlugen. Die kriegerischen Kelten waren aber auch geniale Handwerker, die ihre Toten mit reichen Grabbeigaben - Wagen, Goldschmuck und Waffen - für die Reise ins Jenseits ausstatteten. Von rund 800 bis 50 v. Chr. beherrschten die Kelten, die erstmals im 6. Jahrhundert in der abendländischen Überlieferung auftauchten, weite Teile Mitteleuropas.

Die Kelten waren kein einheitliches Volk oder eine Art europäische Urnation, sondern lebten während der Eisenzeit in zahlreichen unabhängigen Stammesgruppen. Vom 7. bis zum 1. Jahrhundert v. Chr. waren sie auch in Baden-Württemberg die vorherrschende Bevölkerungsgruppe. Das zeigen die reichen archäologischen Funde, wie das im vergangenen Dezember geborgene Fürstengrab bei der Heuneburg nahe Herbertingen im Kreis Sigmaringen. Die Ansiedlung gilt als zentraler frühkeltischer Ort an der oberen Donau.

Keine Nation, sondern Kulturgemeinschaft

"Gerade in Baden-Württemberg ist die keltische Kultur ein Highlight", erklärt der Archäologe Jörg Biel, einer der besten Kenner der Keltenzeit im Südwesten. "Es gibt Tausende Grabhügel und eine unglaublich reiche Fundlandschaft, dazu kommen die Fürstensitze in Heuneburg und auf dem Hohenasperg mit ihren stadtähnlichen Anlagen." Als früherer Landeskonservator hat Biel selbst lange Zeit nach keltischen Artefakten gesucht und 1978 das unversehrte Grab des Keltenfürsten von Hochdorf (um 550 v. Chr.) im Eberdinger Ortsteil Hochdorf ausgegraben.

Die Kelten waren - ähnlich wie die Indianer Nordamerikas - keine homogene Nation, sondern eine Kulturgemeinschaft, die durch eine eigene indogermanische Sprache, ähnliche materielle Kultur, Gebräuche, Glaubensvorstellungen und Lebensweise geprägt wurde. Aus den bronzezeitlichen Kulturen Mitteleuropas bildeten sich die beiden klassischen keltischen Epochen der Hallstatt- (650-70 v. Chr.) und der La-Tène-Kultur (470-50 v. Chr.) heraus.

Im Lauf von 600 Jahren wurden auf den Plateaus von Hügeln und Anhöhen Fürstensitze errichtet, die wie die Heuneburg mit Mauern aus Holz und Erde befestigt waren. Später wurden sie durch eine Stein-Lehm-Mauer ersetzt. Zugleich entstanden große stadtähnliche Siedlungen. Die Außensiedlung der Heuneburg umfasste 100 Hektar und beherbergte einige Tausend Menschen.

Die Handelsbeziehungen der keltischen Stämme reichten bis in den Mittelmeerraum. Der Archäologe Jörg Bofinger vom Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen hat auf der Heuneburg zahlreiche Importstücke aus dem Süden ausgegraben - zum Beispiel Amphoren aus dem damals griechischen Marseille. Auch mit den Etruskern in Italien und mit griechischen Stadtstaaten gab es regen Handel. Die Kelten waren berühmt für ihre filigranen Schmuckarbeiten, ihre Textilien und eisernen Waffen. Bofinger: "Für Archäologen ist das gesamte Ensemble einer Ausgrabungsstätte wichtig und nicht nur das gefundene Gold. Aus ihm können wir viele neue Details erkennen."

Cäsar beendete die große Zeit der Kelten

Baden-Württembergs Boden ist übersät mit Zeugnissen aus der Eisenzeit. Im Boden stecke ein enormes Potenzial, so Denkmalpfleger Bofinger. Allerdings wird nicht alles, auf was man stößt, auch ausgegraben. Vielfach werden die keltischen Funde in der Erde belassen, weil sie dort am besten konserviert werden. Neben der Heuneburg gab es Fürstensitze auf dem Hohenasperg und dem Berg Ipf nahe des Nördlinger Ries bei Bopfingen. Daneben entdeckten Archäologen weitere unzählige Fürstengräber und Grabhügel, Ringwälle und Hunderte Viereckschanzen - rechteckige Areale mit Wall und Graben, die auf eine Besiedlung schließen lassen - sowie Überreste von Ansiedlungen. Allein im Umkreis von zehn Kilometern um den Hohenasperg gab es nach Angaben von Biel rund 400 keltische Siedlungen.

Angesichts der zuletzt auf der Heuneburg gefundenen Grabbeigaben - darunter Bernstein- und Goldperlen und eine 2,5 Zentimeter große filigrane Goldschmuckarbeit - spricht der Tübinger Regierungspräsident Hermann Strampfer vom "schwäbischen Troja". Der Historiker und emeritierte Tübinger Professor Manfred Eggert hält diesen Vergleich angesichts der historischen Einmaligkeit für "unsinnig". "Troja ist Troja, die Heuneburg ist die Heuneburg. Solche Vergleiche sollte man nicht ziehen."

Zumindest lag die Stadt Homers genauso wie die Heuneburg auf einer Anhöhe. Beide waren regionale Handels- und Machtzentren, beide wurden durch Feinde zerstört, von beiden ist nicht viel übrig geblieben. Peter Zaar, Sprecher des Regierungspräsidiums Stuttgart, hält den Vergleich deshalb für gerechtfertigt: "Es gibt Parallelen, was die Bedeutung beider Ansiedlungen betrifft. Die Heuneburg war eine bedeutende keltische Stadtanlage, von der nicht viel überliefert ist, weil es keinen schwäbischen Homer gab. Auch gab es wie in Troja verschiedene Stadtebenen."

Cäsar beendete die große Zeit der Kelten

Die Kelten besaßen ein hoch entwickeltes Wirtschaftsleben. Die aufgefundenen Gräber zeugen vom Reichtum ihrer Oberschicht. Die Stämme waren berühmt für ihre Metallarbeiten, Schmuckstücke aus Silber und Gold sowie ihre Waffenproduktion. Das Eisenerz bauten sie in bis zu 100 Meter tiefen Bergwerken ab.

Seit 1950 wird bei Herbertingen nach Zeugnissen der keltischen Kultur gegraben. Die Heuneburg gilt als älteste Stadt nördlich der Alpen. Zwischen 620 und 470 v. Chr. entwickelte sich hier ein Machtzentrum der späten Eisenzeit, das durch eine nördlich der Alpen einmalige Lehmziegelmauer geschützt wurde. Die mittelmeerische Herkunft dieser im Freilichtmuseum Heuneburg zum Teil rekonstruierten Wehranlage lässt auf griechische Baumeister schließen. Irgendwann im sechsten Jahrhundert wurde die Ansiedlung erobert, eingeäschert und wieder aufgebaut. Um 400 v. Chr. wurde die Heuneburg dann von einer Feuerbrunst verwüstet. Von ihren Bewohnern verlassen, verfiel sie. "Wir haben keinen konkreten Anhaltspunkt", sagt Bofinger, "warum Anfang des fünften Jahrhunderts dieses blühende Zentrum schlagartig aufhörte zu existieren."

An die Stelle der Fürstensitze traten ab der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. die sogenannten Oppida - große befestigte Siedlungen, die von bis zu 10.000 Menschen bewohnt wurden. Keltische Krieger drangen in dieser Zeit auf ihren Beutezügen bis weit nach Süden vor: 387 v. Chr. plünderten sie Rom, 279 v. Chr. belagerten sie das griechische Heiligtum Delphi. Sie kämpften als Söldner in den Kriegen Karthagos gegen die römische Republik und fochten für griechische Könige und Usurpatoren.

Da die Kelten keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen haben, sind die modernen Historiker auf Überlieferungen aus römischer und griechischer Zeit sowie auf Ausgrabungen angewiesen. Die keltische Gesellschaft war der modernen Forschung zufolge weder zentral organisiert, noch gab es gemeinsame Könige. Neben Häuptlingen und Fürsten beherrschten Druiden als geistige und spirituelle Führer die einzelnen Stämme. Sie waren zugleich Priester und Mediziner, Lehrer und Richter.

Mit der römischen Eroberung Galliens durch Julius Cäsar 57 bis 53 v. Chr. endete die große Zeit der Kelten. Die keltische und römische Kultur verschmolzen, bis sie zu Beginn des 3. Jahrhunderts im Zuge der Völkerwanderung von germanischen Stämmen wie den Alemannen und Franken verdrängt wurde. Ein "keltisches Bevölkerungssubstrat", so Jörg Biel, gebe es aber bis heute. "Ich bin mir sicher: Durch unsere Adern fließt Keltenblut."