Frostige Stimmung: Kretschmann mit Ontarios Vize-Regierungschefin Dowdeswell Foto: dpa

Baden-Württembergs Partnerschaft mit der kanadischen Provinz ist gerade einer heftigen Belastungsprobe ausgesetzt. Ursache ist der Streit um den Windpark White Pines.

Toroto - Der gemeinsame Abendempfang der beiden Partnerregionen Ontario und Baden-Württemberg verlief am Donnerstag in Toronto etwas frostig. Aber nicht wegen des Kühlschrankklimas im Metro Convention Center, sondern wegen eines politischen Temperatursturzes. Denn der im Juni neu gewählte Premier des kanadischen Bundesstaats, Doug Ford, gab der aus Stuttgart angereisten Delegation unter Führung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann einen Korb: Ford flog lieber nach Washington.

„Ford snubs German Counterpart“ (Ford brüskiert deutsche Partner) hatte schon tags zuvor die Tageszeitung „Toronto Star“ vermeldet und dies an einem aktuellen Konflikt um ein Windkraftprojekt namens „White Pines“ festgemacht, das vom deutschen Unternehmen wpd gebaut wird. Windkraftverächter Ford hat es vor wenigen Wochen Knall auf Fall gestoppt und für das Treffen zur Bedingung gemacht, das 100-Millionen-Dollar-Vorhaben von den Gesprächen auszusparen – was Kretschmann ablehnte.

Offiziell schob der Premier von Ontario, der als Rechtspopulist Trumpschen Kalibers gilt, Terminprobleme für seine Absage vor. Doch Kretschmann redete bei einem Empfang nicht um den heißen Brei herum: „Es gibt handfeste Probleme mit White Pines.“ Er bedaure sehr, dass der Premier nicht mit ihm darüber sprechen könne. Unternehmen müssten doch auf Investitionssicherheit bauen können.

Gouverneur Ford stoppt Windpark-Projekt

Ford hat nicht nur den Windpark per Gesetz gekippt, sondern gleich auch den auf 20 Jahre geschlossenen Stromliefervertrag mit Ontario. Denn gegen „White Pines“ gibt es lokalen Widerstand, und Fords Slogan im Wahlkampf war: For the people (für die Menschen). Doch der Spross einer Millionärsfamilie macht damit per Federstrich das Investment des Windkraftunternehmens wpd zunichte, denn vier der neun Windräder stehen immerhin schon. Die anderen warten auf die Montage. Außerdem erwartet der Kanadier, dass die deutsche Firma, die einen Standort in Bietigheim-Bissingen hat, die vier fertigen Anlagen wieder zurückbaut.

„Wir sind von einem sicheren Investitionsstandort ausgegangen“, sagte Gernot Blanke, einer der beiden Vorstände von wpd. Blanke hatte für Donnerstag Gespräche mit der Regierung in Ontario vereinbart und sagt: „Wir sind an einer einvernehmlichen Lösung interessiert.“ Immerhin haben die Kanadier Schadenersatz zugesichert, wenn auch begrenzt. Eine Klage sei aber nicht ausgeschlossen, sagte Blanke. Seine Hoffnungen liegen auch auf der Politik. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat sich der Sache angenommen, die deutsche Botschafterin ist involviert – und auch Kretschmann wollte eigentlich seinen Einfluss geltend machen. Doch so weit kommt er nun nicht.

„Das ist skurril, wenn man einen Empfang für ein Partnerland gibt, und der Regierungschef verweigert sich“, sagte der CDU-Landtagabgeordnete Willi Stächele, ein Mitglied von Kretschmanns Delegation. Schließlich wurde die Partnerschaft schon von Lothar Späth vor 31 Jahren begründet und seither mehrfach bekräftigt. Auch Wirtschaftsvertreter wiegten bedenklich das Haupt, weil in Kanada erstmals Investitionen eines Unternehmens angegriffen werden.

Mehr als eine Dutzend Atommeiler am Netz

Die Kanadier selbst scheinen das Ganze lockerer zu nehmen. Der neue Premier – Mitglied der Progressive Conservative Party of Ontario – sei wenigstens ehrlich und sage, dass er grüne Energie nicht mag, meinte der Gründer eines Windkraftfonds in einer Diskussionsrunde. Die frühere Regierung der Liberalen dagegen habe immer nur gesagt, dass sie für grüne Energie sei, in Wirklichkeit aber habe sie diese „getötet“. Kanada ist ein an Rohstoffen reiches Land und betreibt darüber hinaus allein in Ontario mehr als ein Dutzend Atomkraftwerke. Dennoch glaubt Kretschmann, dass regenerative Energie auch in dem zweitgrößten Land der Erde eine Zukunft hat. Premier Fords Volte sei nur ein momentaner Rückschritt. Aber mit Blick auf den Klimawandel sei die Richtung nicht mehr umkehrbar. Es sei denn, „Fake news“ setzten sich am Ende durch. Einstweilen ist die nachhaltige Stromerzeugung in Baden-Württembergs Partnerregion aber auf Eis gelegt: Doug Ford wurde für vier Jahre gewählt.