Württembergs Synode berät erneut über Gottesdienste für homosexuelle Paare. Foto: Lichtgut/Michael Latz

Ein weiteres Mal behandelt die württembergische Landessynode den Umgang mit gleichgeschlechtlichen Paaren. Für die Einführung von Segnungsgottesdiensten für Schwule und Lesben braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Die bleibt ungewiss.

Stuttgart - Nächster Anlauf für die Einführung von Segnungsgottesdiensten für gleichgeschlechtliche Paare: Bei ihrer Frühjahrstagung wird die Synode der Evangelischen Landeskirche in Württemberg an diesem Samstag in Stuttgart über einen Gesetzentwurf beschließen, der solche Gottesdienste ermöglichen soll.

Im Herbst 2017 war ein ähnlicher Versuch an der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit gescheitert, damals fehlten zwei Stimmen. Diesmal könnten aber nicht nur konservative Synodale der „Lebendigen Gemeinde“ ihre Zustimmung verweigern, sondern auch progressive von der „Offenen Kirche“.

Die Frage wird deshalb so kontrovers diskutiert, weil dabei der richtige Umgang mit der Bibel im Mittelpunkt steht. Konservative verweisen darauf, dass die Heilige Schrift praktizierte Homosexualität durchgehend negativ bewertet. Eine Kirche könne nicht segnen, was Gott nicht segne, argumentierte etwa der frühere württembergische Landesbischof Theo Sorg.

In ihrer Ablehnung wissen sich die Konservativen vereint mit dem Großteil der weltweiten Ökumene: Katholische Kirche, Orthodoxe, die meisten Freikirchen und viele evangelische Kirchen auf anderen Kontinenten lehnen die öffentliche Segnung von Schwulen und Lesben ab.

Voraussetzung ist eine bürgerliche Eheschließung

Progressive sehen die biblische Ablehnung gleichgeschlechtlicher Liebe als zeitbedingt. Lebenslange, auf Treue angelegte Partnerschaften unter zwei Männern oder zwei Frauen habe die Antike nicht gekannt. Und zudem könnten sich Menschen ihre sexuelle Orientierung nicht aussuchen, deshalb müsse über allem die Liebe von Jesus Christus stehen.

So sehen es inzwischen alle Mitgliedskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), ausgenommen die kleine Kirche in Schaumburg-Lippe - und Württemberg. Die Evangelische Landeskirche in Baden etwa hat 2016 mit der „Trauung für alle“ homosexuelle Paare und heterosexuelle vollständig gleichgestellt.

Der neue Gesetzentwurf beschreibt in seiner Präambel genau diese Gegensätze mit dem Hinweis, „dass angesichts unterschiedlicher Zugänge zur Bibel in dieser Frage gegenwärtig kein Konsens hergestellt werden kann“. Er sieht vor, dass in einem Kirchengemeinderat drei Viertel der Mitglieder und unter den Pfarrern einer Gemeinde ebenfalls drei Viertel in einen Segnungsgottesdienst für homosexuelle Paare einwilligen müssen. Voraussetzung ist eine bürgerliche Eheschließung.

Maximal ein Viertel aller württembergischen Kirchengemeinden können solche Feiern anbieten - sollten mehr das wollen, muss die Sache erneut von der Synode behandelt und dann allgemeingültig für alle Kirchengemeinden entschieden werden.

Homosexuelle seien in der Kirche willkommen,

Doch die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit ist auch dieses Mal keineswegs sicher. Im größten Gesprächskreis, der „Lebendigen Gemeinde“ (LG), verweist man auf die „grundlegende Einsicht“ von Bibel und reformatorischen Bekenntnissen, dass zu einer Ehe Mann und Frau gehören, sagte deren Sprecher, Dekan Ralf Albrecht, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Homosexuelle seien in der Kirche willkommen, Diskriminierung lehnten auch die Pietisten ab. In dieser Frage gehe es aber um Differenzierung. Gleichwohl hält es Albrecht nicht für ausgeschlossen, das LG-Synodale dem Gesetz zustimmen werden, um einen weiteren gemeinsamen Weg in der Kirche zu ermöglichen. „Wir sind keine Fraktion, es gibt keinen Zwang zur einheitlichen Abstimmung.“

Die „Offene Kirche“ (OK) hatte bereits im November den Gesetzentwurf als „diskriminierend“ abgelehnt. Sie fordert die Einführung einer „Trauung für alle“, bei der für Homosexuelle dieselben Regeln gelten wie für Heterosexuelle. Gemeinden, die dagegen Bedenken haben, sollten allerdings Gewissensschutz erhalten. Wie das konkrete Abstimmungsverhalten am Ende dieser Woche aussehe, werde der Gesprächskreis erst während der Synode klären, teilte OK-Sprecher Martin Plümicke dem epd mit.

90 „Regenbogengemeinden“ warten auf Grünes Licht

Der Gesprächskreis „Evangelium und Kirche“ will dem Gesetz auf jeden Fall zustimmen. Wichtiger als einzelne Formulierungen sei das große Ziel, gleichgeschlechtlichen Paaren auf Wunsch ein Gottesdienstangebot machen zu können, sagt der Ulmer Dekan Ernst-Wilhelm Gohl. Sollte die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit erneut nicht zustande kommen, befürchte er, dass einzelne Pfarrer ihrem Gewissen folgten und ohne Rechtsgrundlage solche Paare öffentlich segneten. Auch der Gesprächskreis „Kirche für morgen“ hatte sich für eine Lösung ausgesprochen, die auf die Vorstellungen beider Lager Rücksicht nimmt.

Die Zerrissenheit spiegelt sich an der Basis wider. Inzwischen gibt es rund 90 „Regenbogengemeinden“, die darauf warten, von der Synode Grünes Licht für Segnungsgottesdienste mit gleichgeschlechtlichen Paaren zu erhalten. Gleichzeitig kursiert eine Unterschriftenliste, auf der mehr als 330 Pfarrer angekündigt haben, sich an solchen Feiern nicht zu beteiligen. Unabhängig vom Ergebnis der Abstimmung spricht deshalb wenig dafür, dass der Streit um den Segen am Ende dieser Synodaltagung zur Ruhe kommt.