Vom 5. März an gibt es zwei Gospelhaus-Gottesdienste im Monat in der Friedenskirche. Das neue Format soll neue Besucher anlocken und das Haus beim Neckartor als Gospelkirche etablieren.
Chorproben können anstrengend sein. Seit etwa zehn Minuten lässt der Dirigent Tom Dillenhöfer in der Friedenskirche die Schlusspassage des Lieds „Is He Worthy?“ von Chris Tomlin singen. Mal nur die Soprane, mal nur die Tenöre, mal alle. Da geht es um Nuancen in der Betonung, die exakt da sein müssen, damit kein Gesangsbrei entsteht. Und ein Einzelner kann das natürlich viel leichter auf die Zehntelsekunde genau rüberbringen als ein 200-Personen-Chor. Und dennoch muss es auch bei denen wie aus einem Guss klingen.
Gospel im Osten ist mit Herausforderungen vertraut
Dass danach dann erst mal eine Stunde lang Pause ist, nehmen viele mit Erleichterung auf. Kein Wunder, denn das Werk ist damit ja noch nicht vollendet, bestenfalls ist eine Etappe geschafft. Aber der nächste Gospelhaus-Gottesdienst ist am Sonntag, 5. März. Möglicherweise steht das Stück dann auch schon auf dem Programm. Und überhaupt steht an diesem Sonntag das Gospelhaus-Format vor einer neuen Bewährungsprobe. Denn künftig wird es das zweimal im Monat geben. Das Ziel ist es, die Friedenskirche als einzige Gospelkirche im Rahmen der Landeskirche zu etablieren.
Doch die Sängerinnen und Sänger haben mit Herausforderungen ihre Erfahrungen. Denn Gospel im Osten ist seit Jahren schon die ganz große Chorbewegung in der Stadt. 400 bis 500 Leute kommen da zusammen in der Friedenskirche beim Neckartor, um gemeinsam zu singen. Das ist eben sehr attraktiv: Jeder kann spontan reinkommen und mitmachen ohne Empfehlung, ohne Vorsingen. Und da die Kirche gut gefüllt ist mit sangesfreudigen Menschen, sind Neudazugekommene auch schnell Teil einer stimmgewaltigen Gemeinschaft, die nicht nur diesen Kirchenraum voll zum Klingen bringt.
Die Fusion von Friedens- und Heilandskirche
Gospel im Osten, das gibt es in diesem XXL-Format im Sommer unter anderem auch mal draußen vor der Villa Berg. Gospel im Osten gibt es aber auch in diversen kleineren Formaten wie etwa zu Gottesdiensten. Und in Sachen Gottesdienst sind die Sängerinnen und Sänger künftig noch mehr gefordert: Statt jeden dritten Sonntag im Monat gibt es von März an auch an jedem ersten Sonntag im Monat in der Friedenskirche einen solchen Gospelhaus-Gottesdienst.
Das ist nicht nur eine Erweiterung des Angebots in musikalischer Hinsicht, sondern auch unter liturgischen Aspekten. Auch die evangelische Kirche leidet unter vielen Austritten, vor allem in der Innenstadt. Pfarrerstellen werden gestrichen oder nicht mehr besetzt, Gemeinden müssen fusionieren. Im Stuttgarter Osten ist das vom Jahr 2024 an etwa die Friedenskirchen- mit der Heilandskirchengemeinde. Die Gospelhaus-Gottesdienste wollen da ein attraktives Angebot machen. Zumal Gospel im Osten ja einst in der Heilandskirche groß geworden ist, bis es dort den Rahmen sprengte.
Familienfreundlicher Beginn der Gottesdienste um 17 Uhr
So sind die Gospelhaus-Gottesdienste auch ein Experimentierfeld. Klar ist: Der Chor mit musikalischer Livebegleitung ist immer sowohl am ersten wie am dritten Sonntag präsent. Doch im neuen Format am ersten Sonntag im Monat wird auch der Gemeinde mehr Raum gegeben zum Singen. Und damit dies für Familien interessanter wird, ist der Beginn bereits um 17 Uhr und nicht erst um 18 Uhr. Der liturgische Teil wird etwas knapper gehalten, die Predigten werden von verschiedenen Personen wahrgenommen. Die Friedenskirche soll sich so als landesweit einzige Gospelkirche profilieren. „Dahinter steckt die Idee einer lebendigen Kirche voller Musik, die emotional berührt in Kombination mit Verkündigung, die das Denken herausfordert und befreit“, so der Chorleiter Thomas Dillenhöfer, der dieses Konzept mit dem Theologieprofessor Siegfried Zimmer entwickelt hat.
Proben sind auch Gratwanderungen
Doch an einem ganztägigen Proben-Samstag zählt für die Sängerinnen und Sänger mehr das Bewusstsein, etwas erreicht zu haben und dass noch weitere Aufgaben zu bewältigen sind. Etwa das vollständige Einstudieren des Lieds „Is He Worthy?“. Dillenhöfer sagt: „Es ist immer eine Gratwanderung, was man den Leuten an detaillierter Probenarbeit zumuten kann“. Als langjähriger Leiter von Gospel im Osten hat er aber inzwischen gute Erfahrungswerte. Er erreicht da auch Sängerinnen wie Maïmouna Obot, die sich mit ihrem Filius Otto etwas abseits niedergelassen hat. Wohl deshalb, damit sie auch schnell draußen ist aus der Kirche, falls der Strampler zu quengeln anfängt.
Ihre Konzentration auf den Gesang hat dies jedoch nicht beeinträchtigt: „Ich finde, solche Wiederholungspassagen sind gut und wichtig. Man merkt so ganz direkt, wie etwas entsteht und wächst. Da wächst die Energie in mir. Und was wir hier geprobt haben, ist ein wichtiger Satz mit einer ganz zentralen Aussage.“ Und Klein-Otto hat das auch nicht genervt. Er ist die Ruhe selbst und schaut sich mit großen Augen das Geschehen an.
„Ja, solch ein intensives Proben von kurzen Abschnitten ist nicht gerade üblich“, so die Sängerin Sandra Flotta, „das ist schon sehr anspruchsvoll“. Das grundsätzliche Einüben des Gesangsparts, das könne man auch zu Hause, aber der nötige Feinschliff, der entsteht eben erst bei solchen Proben wie diesen. Auch deshalb findet sie genug Stunden in ihrer Freizeit, um sowohl im großen Chor mitzusingen wie auch jetzt im Gospelhaus-Format.