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Sein Waffenbesitz hat ihm viel Kritik eingebracht. Im Interview bezieht Ulrich Goll jetzt Stellung.

Stuttgart - In Sicherheitsfragen verlässt sich Justizminister Ulrich Goll (FDP) lieber auf sich als auf Personenschützer. Er will im Notfall von seiner Pistole und seinem Revolver Gebrauch machen, für die er einen Waffenschein besitzt. Das hat ihm viel Kritik eingebracht. Gegenüber unserer Zeitung nimmt er jetzt Stellung.

Herr Goll, sind Sie bewaffnet?

Nein!

Wenn Sie gerade keine Waffe bei sich tragen, wie verträgt sich das mit Ihrem Sicherheitsbedürfnis, wo Sie doch auf Personenschützer verzichten?

Leider ist es so, dass man einen Justizminister als potenziell gefährdet bezeichnen muss. Ich habe die erste Morddrohung schon bekommen, da war ich noch kaum im Amt. Ich bin nicht übertrieben ängstlich, und mir ist auch klar, dass es keinen vollkommenen Schutz gibt. Ich glaube auch nicht, dass durch einen Waffenschein ein besserer Schutz möglich ist als durch Personenschützer. Ich habe vielmehr 1996 auf Personenschutz verzichtet, weil das Ganze ein Riesenaufwand ist und ich es schade finde, dass ich junge Leute in meiner Umgebung habe, deren Perspektive nur darin besteht, den ganzen Tag auf mich aufzupassen.

Was haben Sie gedacht, als Sie heute Morgen die Schlagzeile gelesen haben: "Polizei will Minister Goll entwaffnen"?

Das will die Polizeigewerkschaft. Die Trainings, die ich gemacht habe, kamen ausnahmslos auf Einladung der Polizei zustande. Ich habe zur Polizei ein gutes Verhältnis, und ich bin auch in fast allen Punkten der Meinung der Gewerkschaft, wenn etwa ihr Vorsitzender Rüdiger Seidenspinner sagt, man könne nicht in der Fußgängerzone von der Schusswaffe Gebrauch machen. Das ist doch völlig klar. Ich käme nie auf diese Idee. Aber diese Spielregeln gelten natürlich genauso für die Personenschützer.

Aber die sind trainiert . . .

Das bin ich auch.

Geht das Training der Personenschützer nicht weit über Schießübungen hinaus?

Die Frage, wo ich von der Waffe Gebrauch machen kann, gilt auch für Personenschützer. Nur darauf lege ich Wert. Man sollte mir als Justizminister zutrauen, dass ich mit so viel Verantwortungsbewusstsein mit einer Waffe umgehe wie jeder Streifenbeamte. Deswegen finde ich die Unterstellung absurd, ich könnte bei allen möglichen Gelegenheiten Gebrauch von der Waffe machen.

Wozu haben Sie dann einen Waffenschein, der Sie berechtigt, die Waffe zu führen? Sie können sich die gefährliche Situation doch nicht aussuchen.

Die Zeiten können sich ändern. Es sind Situationen vorstellbar, in denen es zu einer zugespitzten Bedrohung kommen könnte. Wo mir die Waffen auf jeden Fall nützen können, ist bei mir zu Hause. Dort ist das so organisiert, dass sie zu einem wirksamen Schutz beitragen. Das ist auch der Grund, warum ich sage: Solange ich durch dieses Ministeramt exponiert bin, möchte ich die Waffen behalten. Ich möchte nicht auf das Gefühl der Sicherheit verzichten, dass ich handlungsfähig wäre, wenn ich oder meine Familie bedroht werden.

"Potenzielle Täter werden mit potenziellen Opfern verwechselt"

Sind Sie ängstlich?

Nein, aber ich will nicht in eine hilflose Situation kommen, in der jemand mit mir macht, was er will. In meiner Familie ist das durchaus ein Thema. In der ganzen Diskussion habe ich ohnehin das Problem, dass potenzielle Täter mit potenziellen Opfern verwechselt werden.

Ihre Äußerungen über Personenschützer kamen bei der Polizei wie ein Misstrauensvotum an.

Es gibt einfach Situationen, da geht es so schnell, dass auch Sicherheitsbeamte nur zuschauen können. Das war nicht negativ gegenüber der Polizei gemeint.

Sie meinen Ihre Äußerung über den Tortenwurf gegen Ex-Ministerpräsident Günther Oettinger. Darüber sind Sie nicht glücklich?

Nein.

Sie haben eine Pistole vom Kaliber 9 mm. Nach dem Amoklauf von Winnenden gab es eine heftige Diskussion über die Verschärfung des Waffenrechts und die Forderung von Kriminalbeamten, solche großkalibrigen Waffen im Schießsport abzuschaffen. Es kam dann nicht dazu.

Die Diskussion ging zuerst um den Begriff Großkaliber. Ich war überrascht, dass man 9 Millimeter überhaupt als Großkaliber bezeichnet . . .

Das ist eine Kriegswaffe . . .

9 Millimeter ist das gängige Kaliber aller Dienstwaffen der Polizei. Ich erinnere mich noch gut, dass ich in den ersten Gesprächen mit der Opferinitiative von Winnenden gesagt habe, wir versuchen über alles zu reden, was möglich ist. Aber von der Unterscheidung Groß- und Kleinkaliber würde ich abrücken, weil man auch mit einer Kleinkaliberwaffe durch Türen schießen kann. Ich habe ihnen auch gesagt, dass ich selbst seit Jahren einen Waffenschein für eine 9-mm-Pistole und einen Revolver vom Kaliber 22 habe und dass ich den kleineren für mindestens so gefährlich halte. Da saßen die Eltern der Amokopfer dabei, und wir haben detailliert darüber geredet.

Die Opferinitiative sagt, man fühle sich von Ihnen verhöhnt . . .

Ich habe immer betont, dass wir die Zahl der Waffen reduzieren müssen. Niemand muss 16 Pistolen besitzen. Ich habe auch gefordert, dass man den Besitz einer Faustfeuerwaffe stärker an die Ausübung des Schießsports bindet.

Gab es aktuell einen direkten Kontakt zur Opferinitiative?

Ich schreibe den Eltern gerade einen Brief und versuche, ihnen meine Sicht darzulegen, damit sie das nicht als Provokation empfinden.

"Das Schießen ist eine bemerkenswerte Sportart"

Sie selbst haben von einem technisch-sportlichen Interesse an Waffen gesprochen. Was steht denn nun im Vordergrund - der Sport oder das Sicherheitsbedürfnis?

Zweifellos das Sicherheitsbedürfnis. Auf der anderen Seite stimmt es auch, dass das Schießen eine bemerkenswerte Sportart ist, deshalb machen es ja so viele, und es ist eine olympische Disziplin. Diesen sportlichen Reiz empfinde ich natürlich auch. Es ist aber wirklich absurd, mich als Waffennarr zu bezeichnen.

Finden Sie, dass der Schießsport nach Winnenden zu Unrecht in Misskredit geraten ist?

Unter dem Strich: Ja. Ich bin zwar der Meinung, dass die Verbände, in denen Waffen eine Rolle spielen, ihren Beitrag zu mehr Sicherheit leisten sollen. Was wir aber im Moment erleben, ist eine Kampagne, die sich gegen jeden Waffenbesitz richtet, auch gegen den legalen wie in meinem Fall.

Ein Vorwurf an Sie lautet, die Waffenlobby sitze mit am Kabinettstisch.

Dann könnte man auch sagen, die Autolobby sitze mit am Kabinettstisch, weil die Minister Autos fahren. Ich habe doch keinerlei Kontakt zu Waffenherstellern. Vor Jahren habe ich mir mal Heckler & Koch angesehen, aber es gibt keinerlei Verbindung zur sogenannten Waffenlobby. Null Komma null.

Können Sie noch glaubwürdig fordern, dass Privatleute ihre Waffen abgeben? Nach Winnenden erklärte die Landesregierung, jede abgegebene Waffe erhöhe die Sicherheit.

Diese Äußerung muss man präzisieren. Ich selbst war der Vater des Amnestiegedankens, denn ich habe mitbekommen, dass in Familien noch irgendwelche Waffen ohne Sachkunde verwahrt werden. Darauf hat sich unsere Aufforderung bezogen. Dass Schützen, Jäger und Dienstpersonal eine Waffe besitzen, daran habe ich jedoch nie gerüttelt. Auch mir wurde eine Dienstwaffe angeboten, ich habe es dann aber vorgezogen, mir selbst eine Pistole zu kaufen.

Haben Sie einen Vorschlag, wie man den Personenschutz verbessern kann?

Nein. Auch in meinen Augen machen diese Polizisten ihren Job ausgezeichnet. Es ist allerdings schwer, sich gegen Attacken von Verrückten zu wehren. Ich bedaure, dass diese Diskussion überhaupt in Gang gekommen ist. Man sollte über den Personenschutz eigentlich nicht öffentlich reden.

Gab es einen konkreten Anlass, auf Personenschutz zu verzichten und sich selbst zu bewaffnen?

Nein. Ich habe gleich mit Beginn meiner Amtszeit 1996 auf Personenschutz verzichtet. Einige Monate später wollte ich dann die Landespolizeidirektion II zusammen mit dem damaligen Präsidenten Volker Haas besichtigen. Zuvor haben die Polizisten mir augenzwinkernd ein Probetraining vorgeschlagen, um den Präsidenten bei dem Rundgang zu beeindrucken. Also haben wir geübt. Am nächsten Tag war Haas natürlich beeindruckt, wie gut ich schießen konnte.

Wie ist das bei Richtern oder Staatsanwälten - sind die auch bewaffnet?

Ja, mitunter. Das ist die in der Justiz gelegentlich geübte Form des Selbstschutzes. In der Justiz hat niemand Personenschutz, aber es ist schon so, dass wir einen Staatsanwalt, der im Bereich der organisierten Kriminalität ermittelt, mit einer Pistole ausstatten, wenn er eine will. Aktuell ist das bei acht Staatsanwälten, sieben Richtern und 15 Gerichtsvollziehern der Fall.