Bernhard Langer ist mit 60 in der Form seines Lebens. Foto: PA Wire

Am Wochenende wird Golf-Legende Bernhard Langer 60 Jahre alt – und ist zu diesem Anlass in der Form seines Lebens. So lässt er Konkurrenten hinter sich, die Dekaden jünger sind.

Stuttgart - Elvis lebte tatsächlich noch, Shakira und Emmanuel Macron noch nicht. Helmut Schmidt war gerade Kanzler geworden, Steffi Graf noch nicht eingeschult. Und im bayerischen Anhausen bei Augsburg entscheidet sich ein blonder Lockenkopf, es als Golfprofi zu probieren. Ende 1974 war das. Bald gewinnt er, mit 17, in Refrath bei Köln das erste Profiturnier, er gewinnt bald die ganz großen Turniere, er gewinnt bis heute. Er spielt und spielt und spielt: ein VW der Fairways.

Am Sonntag wird Bernhard Langer 60.

Als er 1980 im walisischen Chepstow sein erstes großes europäisches Turnier gewonnen hatte, wollten es die Briten nicht glauben. Einer aus Germany holt den Pokal, auch noch mit Platzrekord: unbelievable. Unglaublich. Seit wann spielen diese Germans überhaupt Golf (45 000 Freizeitspieler gab es damals, heute sind es fast 800 000)? Unvorstellbar, dass dieser junge Kerl 2006 von Königin Elizabeth II. für seine Verdienste um den Golfsport als Officer of the Most Excellent Order of the British Empire geehrt werden würde. Heute hängen im Clubhaus von Chepstow, ehrfürchtig bewahrt, Langers Schwarz-Weiß-Bilder und Dokumente von damals.

Als Langer zweimal die Masters in Augusta (1985, 1993) gewinnt, das wichtigste Turnier der Welt, startet in Deutschland ein Golfboom. „Der Anhausener“, wie er bald mit Zweitnamen heißt, landet bei den großen vier Majors 18-mal unter den Top Ten. Bis heute stehen 106 Turniersiege zu Buche. Langer siegt im Ryder Cup, dem heißen Kontinentalduell gegen die USA, mit dem Europa-Team fünfmal. 2004 ist er Kapitän: Mit 18,5:9,5 springt der höchste Sieg der Geschichte heraus, auswärts zudem.

Langer lässt selbst die Jüngeren hinter sich

Er altert nicht. Er lässt Burschen hinter sich, die Dekaden jünger sind. Die Voraussetzungen: Gesundheit, genetisches Glück. Die Gründe: Asket, Präzisions- und Konzentrationswunder, unerbittliche Zielstrebigkeit, ohne je getrieben zu wirken. „Golf macht mir einfach Spaß“, sagt er, er liebe ungebrochen das „Feuer des Wettbewerbs“. Ständig toppt er neue Bestleistungen, meist sind es die eigenen. So einen gab es noch nicht. Der ewige Langer.

Über sein Gesicht zieht sich ein Spinnennetz von Falten, aber der Körper bleibt drahtig. Langer macht eisern sein Fitnessprogramm, Stretching, Joggen, Yoga. Zwei Stunden am Tag neben dem Golftraining. Ernährung: top wichtig; Alkohol ist tabu. Selbst im Schlafzimmer seiner Villa in Boca Raton, Florida, wo er seit 30 Jahren mit Ehefrau Vikki lebt, stehen Fitnessgeräte. Perfektionist nennt er sich selbst. Er ist zäh, gewissenhaft, unerschütterlich. Schon vor Jahrzehnten war sein Spitzname unter Kollegen „Mr. Consistancy“, der Beständige. Ein Name wie eine Prophezeiung.

Die US-Champions Tour der Senioren (teilnahmeberechtigt ist man ab 50) beherrscht er seit neun Jahren fast nach Belieben. Diese Turniere sind in den USA eine große Nummer mit stundenlangen Live-Übertragungen. Neun Majors hatte er bis zum Sommer bei den Senioren abgeräumt: Rekord, den großen Jack Nicklaus abgelöst. Dann Ende Juli die British Seniors Open, Triumph Nummer zehn – wieder in Wales.

Kreis geschlossen? Ach, nur eine Etappe. Denn damit ist er startberechtigt für die Open im Juli 2018. Die der normalen Profis. Ist das nicht dann doch mittlerweile eine andere Liga? Nur bei den Abschlägen, die sind bei den jungen Burschen 30 oder 40 Meter länger. Das kann pro Runde schon mal ein oder zwei Schläge ausmachen. Entscheidend viel. Also muss man rund ums Grün noch präziser sein.

Keiner bereitet sich akribischer vor als Bernhard Langer.

Bernhard Langer hat ein Elefantengedächtnis. Es heißt, er habe die jeweils 18 Grüns Hunderter Golfplätze weltweit im Detail abgespeichert. Er weiß auswendig, welche Welle wo, welches Tempo wann, welche Wege wohin das Rollen des Balls bei welchem Wetter beeinflussen. Sein Caddie geht vor jedem Turnier alles ab, checkt gegen, fühlt und schnüffelt (manchmal tatsächlich bäuchlings), ob es marginale Veränderungen gibt. Keiner bereitet sich akribischer vor. 2014 war Langer nah dran, zum dritten Mal die Masters zu gewinnen. In der Schlussrunde lag er zeitweilig auf Platz 2, am Ende wurde er sensationell Achter. Mit fast 57 Jahren.

Nur vier Spieler weltweit gewannen jemals ein Turnier mit 58, Langer mittlerweile fünf. Sieben von acht Jahren war er in der Geldrangliste der Senioren-Tour ganz oben, das andere Jahr war er lange am Daumen verletzt. In dieser Saison führt er auch wieder vor jungem Kollegengemüse wie Miguel Angel Jimenez (53), Colin Montgomerie (54) oder John Daly (51).

Langer wird älter, aber sein Spiel nicht schlechter. Im Gegenteil: „Ich glaube, ich spiele zur Zeit das beste Golf meines Lebens.“ Mit knapp 60. Dennoch ist auch das nur eine Etappe: „Es geht immer ein bisschen besser, überall, natürlich.“ Sein Ziel: „Noch besser werden. Ich weiß, dass ich das kann.“ Und: „Je mehr ich übe, desto mehr Glück habe ich auch.“ Längst zieren seine Philosophien Ratgeber für Selbsterfahrung und Selbstoptimierung, etwa „So coachen sich die Besten“.

In seiner Kindheit ging der Maurer-Sohn jahrelang täglich in die Messe. Das bescheidene Elternhaus half damals indirekt, den kleinen Bernhard mit Golf in Kontakt zu bringen. Er musste ein bisschen dazuverdienen, also schleppte er für ein paar Mark den Reichen als Caddie nebenan auf dem Platz die Tasche. Er bekam den ersten gebrauchten Schläger. Er versuchte es und fand Spaß an diesem seltsamen Spiel. Gegen den Rat seiner Eltern begann er 1972 eine Golflehre, als Golftrainer. Langer liest bis heute täglich in der Bibel, Gott ist sein Mental-Caddie.

Skandale haben den Ausnahme-Golfer keine ereilt

Als seine ersten Auftritte im Fernsehen liefen, etwa die German Masters 1981, musste Golffreund Harry Valerien den Deutschen das Spiel ganz von vorn erklären. Währenddessen versuchte der Kameramann verzweifelt (und oft erfolglos) dem himmelwärts fliegenden Ball hinterher zu filmen. Natürlich gewann Langer das Heimdebüt. Zur Legende wird man auch durch besonders bittere Misserfolge. Langers größtes sportliches Desaster spielte sich 1991 auf Kiawah Island in South Carolina ab. Er hatte noch genau diesen einen Putt aus anderthalb Metern, und Europa hätte den Ryder Cup gewonnen. Niemand glaubte an einen Aussetzer des Meisters der Konzentration. Langer schob den Ball vorbei. Die USA siegten noch. Zehntausende durchgedrehte Amerikaner feierten und verhöhnten die geschlagenen Gegner.

Skandale? Fehlanzeige. Bis auf einen: Langer gehörte, bei allem Gottesglauben, zu jenen Profis, die sich in den 1980er Jahren vom Rassistenregime in Südafrika für viel Geld zu Turnieren ans Kap locken ließen (wo er in Sun City gleich gewann). In der Politik landete er im Frühjahr kurzfristig auch. Donald Trump ging ihn nach der Präsidentschaftswahl an, sein „guter Freund Bernhard Langer“ habe ihm Manipulationen bestätigt, etwa dass viele nicht hätten wählen dürfen. Langer ließ wissen, eine Freundschaft mit Trump sei ihm unbekannt, er sei aber tatsächlich von der Wahl ausgeschlossen gewesen. Weil er gar keinen amerikanischen Pass habe. „Fake- Dreck“ weggekontert.

Und wie feiert er den Spezialgeburtstag? Bernhard Langer macht kein Geheimnis daraus: Einmal diagonal durchs Land zieht es ihn, aus Florida in den schönen Nordwesten der USA, wo bald der Indian Summer beginnt. Vor den Toren des Städtchens Snoqualmie nahe Seattle kennt er einen zauberhaften Spot: „ein atemberaubender Rückzugsort für die Familie“ mit „luxuriösen Annehmlichkeiten und extraordinary Service“.

Zufällig finden auf dem hauseigenen Golfcourse von Snoqualmie am Wochenende auch die Boeing Classic Championships statt; am 27. August, dem sonntäglichen Ehrentag, steht die Finalrunde an. Bernhard Langer ist Titelverteidiger.