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Wer alt genug ist, der weiß, dass die Münchner vom FC Bayern nicht immer deutscher Fußball-Meister werden. Bald könnte es wieder soweit sein, meint unser Kolumnist Günther Schroth.

Stuttgart - Das Beste, was die Liga zu liefern hatte, war immer gerade gut genug für die Bayern. Eingekauft wurde in München alles, was Spitzenklasse war. Geld und Verstand reichten dafür immer aus. Jetzt aber haben die Bayern offensichtlich nur noch das viele Geld. Der Verstand kam ihnen irgendwann in den letzten Jahren abhanden.

Das ist eine der Erklärungen für das sehr ungewohnte Bild, das die Tabelle dieser Tage liefert. Die Bayern dümpeln. Ich kann die Gnade einer relativ frühen Geburt für mich beanspruchen. Deswegen sind mir solche Tabellenbilder nicht ganz fremd: Gladbach oben, Bayern irgendwo dahinter, in den Siebzigern gab es das durchaus schon mal. Es hat schon was Großvaterhaftes, aber als Ü-60er kann ich glaubhaft versichern: Früher passierte sowas häufig. Manchmal kam es sogar vor, dass die Bayern gar nicht Meister wurden.

Dieser unerhörte Vorgang scheint sich jetzt wieder anzubahnen. Die Bayern haben In Mönchengladbach verloren. Zugegeben: mit Pech, sie waren über lange Zeit besser, ein Elfmeter in der Nachspielzeit sorgte für den Gladbacher Sieg. Normal hätte es sich angefühlt, wenn die Bayern diesen Elfer kurz vor Schluss gekriegt hätten. Am Ende aber stand eine Münchner Niederlage beim Tabellenführer. Als die Bayern in der letzten Saison mal neun Punkte hinter Dortmund lagen, haben sie dann dennoch alles weggeputzt, was da vor ihnen lag. Vor allem die Dortmunder. Zuverlässig reichte es am Ende wieder zum Double von Titel und Pokal.

Wann holt der FC Bayern Timo Werner?

Jetzt aber sind sie abgeblitzt in Mönchengladbach. Das gab’s schon mal: als in Mönchengladbach noch Hacki Wimmer und Günter Netzer, Berti Vogts und Jupp Heynckes kickten, wurden sie dort, tief im Westen, auch immer wieder mal Meister. Und konnten sich unter Deutschlands Jungtalenten das Beste rauspicken. Lothar Matthäus zum Beispiel, der als vielversprechendes Nachwuchstalent zum damaligen fünfmaligen Meister Mönchengladbach wechselte. Dann aber kaufte Bayern Gladbach das Jungtalent weg – und damit den Platz an der Tabellensonne. Aber jetzt taucht dieser längst abgehängte Konkurrent aus dem Westen wieder auf und hat die Sorte von Dusel, den die Bayern bislang gepachtet hatten.

Mittlerweile ist auch im Osten der Republik ein veritabler Gegner präsent: denn auch bei RB Leipzig haben sie Erfolg. So viel, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis der Verstand bei den Bayern wieder einsetzt. So wie es aussieht, werden die Bayern das tun, was bislang ihr Erfolgsrezept war: sie werden der Konkurrenz das Beste wegkaufen – in meinen Augen sind das übrigens Leipzigs Stürmer Timo Werner und dessen Trainer Julian Nagelsmann. Sonst steht den Bayern der Abstieg bevor, den ihnen viele wünschen. Vom Platz an der Sonne ins Niemandsland der Tabelle. Die Bayern sind nicht schlechter geworden – aber ihre Gegner besser. Die Liga ist endlich wieder spannend. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das noch einmal erleben darf.

Als der VfL Borussia Mönchengladbach 1977 das letzte Mal Deutscher Meister wurde, waren die Bayern am Ende Tabellensiebter. Jetzt ist Gladbach wieder oben, die Bayern sind wieder Siebter. Und damit unter dem Strich, der die Teilnahme am europäischen Fußball markiert. Sie können, wenn sie Siebter bleiben, nur auf den Pokalsieg hoffen. Gelingt auch der nicht, dann müssen sie (und ihre Anhänger) sehr, sehr tapfer sein. Denn dann müssen sie Gladbach und den anderen über ihnen die Daumen drücken: in der Hoffnung, dass einer von denen da oben Pokalsieger wird. Für die Bayern wird es dann immerhin knapp für die Europa League reichen. Und erst dann werden sie verstanden haben.