20 Schüler aus sieben Nationen werden auf ihren jeweiligen Lernniveaus von der Deutsch- und Geschichtslehrerin Lisa Gramich an dem Göppinger Gymnasium unterrichtet Foto: Horst Rudel

Typische Göppinger Teenager sind die Schüler in der ersten gymnasialen Vorbereitungsklasse, die das Freihofgymnasium eingerichtet hat – trotz ihrer Vorgeschichte.

Göppingen - Adventskranz, Kerze und Weihnachtsgebäck“ lauten die neuen Vokabeln für die Schüler der Vorbereitungsklasse am Göppinger Freihofgymnasium. Die 20 Mädchen und Jungen im Alter von 11 bis 16 Jahren sollen hier Deutsch lernen, damit sie in die regulären Klassen wechseln können. Die meisten kommen aus Syrien und Afghanistan, aber es sind auch Italiener und Serben darunter. Der Schulleiter Günter Roos hat sich beim Regierungspräsidium für die einzige Vorbereitungsklasse an einem Gymnasium im Kreis Göppingen verkämpft. Hilfe kommt auch von den Rotariern, die der Klasse dieser tage zehn Laptops gespendet haben.

Der Rektor konnte die Behörde überzeugen

„Ich glaube nicht, dass all diese Jugendlichen irgendwann einmal das Abitur machen werden, aber es ist doch unsere gesellschaftliche Aufgabe, sie aufzunehmen“, schildert Roos die Misere, in der er sich vor einem Jahr befand. Schon damals waren alle Vorbereitungsklassen an den Werkreal- und Berufsschulen in Göppingen rappelvoll. Und so wurden die ersten beiden Einwandererkinder jenseits des Grundschulalters im Gymnasium aufgenommen. Weil sie dem Regelunterricht nicht folgen konnten, stellte die Schule zwei pensionierte Kollegen ein, die die zwischenzeitlich angewachsene Gruppe von Februar an in Deutsch unterrichteten. Später konnte der Rektor das Regierungspräsidium von der Notwendigkeit einer festen Lehrerstelle überzeugen, und so gibt seit September die Deutsch- und Geschichtslehrerin Lisa Gramich der bunt gemischten Klasse mit Schülern aus sieben Nationen Unterricht.

Schüler sollen den Anschluss nicht verpassen

„Jeder hat bei uns seinen eigenen Stundenplan“, erläutert die Pädagogin und Koordinatorin Ute Wasnick den Schulalltag dieser besonderen Klasse. Besonders den älteren Schülern möchten die Pädagogen den Anschluss an ihren bisherigen Bildungsstand ermöglichen und sie möglichst bald in den Regelunterricht schicken. Wie die Siebtklässlerin aus Italien, die Mathe mit Gleichaltrigen paukt, für das Englischlernen in der fünften Klasse sitzt und Deutsch eben in der Vorbereitungsklasse lernt. Es bedürfe vieler Absprachen, die Kollegium, Sekretariat und Schulleitung sehr flexibel handhabten, erläutert Wasnick die langen Wege, bis jeder Schüler seine Busfahrkarte und sein maßgeschneidertes Angebot beisammen habe.

Während die Jüngeren etwas mehr Zeit haben, um sich die lateinischen Schrift anzueignen, tickt für die Älteren längst die Bildungsuhr. „Damit sie einen Schulabschluss schaffen, sollten sie vor dem 18. Geburtstag an eine Berufsschule wechseln, wo sie sich auf die externe Hauptschulprüfung vorbereiten können“, skizziert Ute Wasnick die Perspektive. Für diesen Schulwechsel müssten die Flüchtlings- und die Einwandererkinder allerdings eine recht anspruchsvolle Deutschprüfung bestehen. Erst unlängst begleitete die Pädagogin mehrere ihrer Schützlinge zu diesem Test. Zwei Jungen schafften die Aufnahme in die Vorbereitungsklasse der Gewerblichen Schule, ein 16 Jahre altes Mädchen muss weiter im Freihofgymnasium seine Sprachkenntnisse vertiefen. Keine leichte Aufgabe für die junge Jesidin, deren Vater in der alten Heimat wohl verhindert hatte, dass das Mädchen überhaupt eine Schule besuchen durfte.

Typische Göppinger Teenager

Nach ihrem Berufswunsch befragt, antwortet die 16-Jährige: „Krankenschwester“. Dieses Ziel hat auch die 15-jährige Rama vor Augen, die im vergangenen Jahr vor den Bombardements des Assad-Regimes aus dem westsyrischen Homs flüchtete. Ihre gleichaltrige Nebensitzerin stammt aus Damaskus und möchte Zahntechnikerin werden. Bis das zur Debatte steht, sind die Mädchen aber vor allem typische Göppinger Teenager, für die Shoppen und gemeinsame Zeit mit den Freundinnen ganz oben auf der Prioriäten-Liste stehen.