Statt eines großen Umzugs setzen am Maientag 2021 verschiedene kleine Gruppen in Kostümen historische Akzente. Foto: Giacinto Carlucci

Ansingen ohne Singen, eine Online-Rede des Oberbürgermeisters und buntes Treiben in Kleingruppen in der Innenstadt: Der Göppinger Maientag wurde Corona-konform gefeiert.

Göppingen - Es war Maientag. Anders als sonst, aber Maientag. Furioses Ansingen ohne Singen aber mit sehr gut aufgelegten Bläsern am Freitag in der Stadthalle, eine Online-Maientags-Rede vom OB und buntes Treiben der kleineren Art in der Innenstadt. Der Reihe nach: Acht Stücke stehen am Freitag auf dem Programm zum Maientagsansingen, die meisten der rund 60 Zuhörer in der Stadthalle warten auf Stück Nummer 7: „Geh aus mein Herz“, die Göppinger Maientagshymne.

 

Zwar hatten die 20 Musiker des Städtischen Blasorchesters schon ordentlich geliefert, vor allem der „Baby Elephant Walk“ reißt die Zuhörer fast von den mit viel Abstand aufgestellten Stühlen. Aber bei den ersten Takten von „Geh aus mein Herz“ wird es ganz still im Publikum – „mitsingen nicht gestattet“ steht auf dem Programmzettel. Dirigentin Martina Rimmele gibt dem Lied Zeit, es klingt fast schon getragen. „Ein Gänsehaut-Moment“, sagt OB Alex Maier nach dem Kurz-Konzert, das das Publikum doch noch vom Hocker reißt.

Musiker und Zuhörer sind angetan

Richtige Musik vor echtem Publikum, das ist schon eine Weile her, Musiker und Zuhörer sind sehr angetan von den 45 Minuten in der Stadthalle. Gerade einmal zwei Wochen Zeit hatte das Orchester für die Proben, gehört hat das niemand.

Getragen und mit ein bisschen Pathos geht’s am Samstag weiter. Jetzt ist Maier mit seiner ersten Maientagsrede dran. Nicht auf dem Rathausbalkon, sondern im Internet hält er sie, dabei ist er in seinem Amtszimmer, auf dem Marktplatz und in der Schockenseeanlage zu sehen. Mit „keine Maß beim Göckelesmaier, kein Umzug“, stellt er erst einmal fest, was es in diesem Jahr alles nicht gibt, aber „er findet statt“. Allein das sei schon ein Zeichen der Hoffnung. Das brauche es auch, Maier sieht eine durch die Pandemie stark gespaltene Gesellschaft, ist aber auch von der Hilfsbereitschaft und vom Durchhaltevermögen der Göppinger Bevölkerung angetan.

„Mehr Begeisterung für unsere Stadt“

Die Stadt werde sich nach der Pandemie verändern, durch den Strukturwandel in der Wirtschaft und durch den Klimawandel. „Es gibt kein unendliches Wachstum“, sagt er. Im OB-Rede-Film steht er jetzt dort, wo an normalen Maientagen im Festzelt die Maß serviert wird, er bleibt auf dem trostlosen Rasen-Schotter-Platz neben der EWS-Arena aber nicht lange allein: Brauerei-Chef Christoph Kumpf aus Geislingen kommt mit zwei Flaschen Maientagsbier zur Hilfe. Maier wünscht sich von den Göppingern – wie sein Amtsvorgänger – „etwas mehr Begeisterung für unsere Stadt“, zählt auf, was Göppingen alles zu bieten hat: von Frisch Auf bis zum Heiligen Morgen. Dann ist er wieder im Amtszimmer. Er spricht erneut vom „Fest als Zeichen der Hoffnung“ und schreibt „2022“ auf ein Papier.

Gleich danach geht’s raus. Raus aus dem Internet, raus aus dem für Maier ungewohnten Dreiteiler samt Krawatte. Schon beim Ansingen hat er davon gesprochen, dass der „Schultheiß“ samt Gefolge durch die Innenstadt ziehen wird. Der OB schlüpft in die Garderobe eines Bürgermeisters von 1319, dem Jahr, als Göppingen wahrscheinlich württembergisch wurde. Mit Federhut, Perücke, schwarzem Samtwams mit Kunstpelzbesatz über dem Bauch möchte kaum einer mit ihm tauschen – bei knapp 30 Grad im Schatten auf dem Schillerplatz. Die Erste Bürgermeisterin Almut Cobet im roten Kleid mit Haube und Entenschuhen, Baubürgermeisterin Eva Noller ganz in Blau – das aktuelle Rathaus-Dreigestirn ist komplett. Das Volk auf dem Markt und auf der Hauptstraße nimmt es interessiert gelassen zu Kenntnis. Die drei sind nicht allein unterwegs, sie treffen auf ein Gruppe Badegäste des Christophsbads aus dem Jahre 1548. Auch König Barbarossa mit rotem Teint und rotem Bart ist vor Ort, 1154 soll er durch die Stadt gezogen sein, auf dem Weg zur Kaiserkrönung in Rom. Für Erfrischung sorgen Waschfrauen, die mit wassergefüllten Zinkeimern und Leintüchern jeden nass machen, der ihnen in die Quere kommt. Zehn Gruppen laufen in Kostümen durch die Straßen.