Einer der Angeklagten wird beim ersten Prozess in Handschellen in Stuttgart vorgeführt. Foto: dpa

Die Einstellung eines Verfahrens heißt noch lange nicht, dass der Angeklagte unschuldig ist, sagt unsere Autorin Karen Schnebeck.

Göppingen - Es gibt sie immer wieder, diese Fälle, bei denen man sich wünscht, die Justiz hätte ein schärferes Schwert zur Hand. Jedes Mal muss man sich dann aufs Neue bewusst machen, dass das Strafrecht Grenzen hat und dass es gut ist, dass es diese Grenzen gibt. Denn die Alternative wäre Willkür und damit das Ende der Rechtssicherheit für alle Bürger.

Im Fall der Autonomen Nationalisten war stets klar, dass der Prozess schwierig werden würde. Natürlich haben sie mit ihren Umtrieben viele Menschen verunsichert, vermutlich haben sie Straftaten begangen. Aber zweifelsfrei zu beweisen, wer was wann getan hat, ist eine Herausforderung – und wird immer schwieriger, je länger die Taten zurückliegen.

Hinzu kommt, dass die vier angeklagten Rechtsextremen ja nicht wegen einzelner Straftaten angeklagt sind, sondern wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Das Landgericht muss also anhand vieler einzelner Puzzleteile beweisen, dass ihre Gruppe eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellte. Insofern mag es unbefriedigend sein, wenn jetzt über die Einstellung des Verfahrens nachgedacht wird. Aber es ist nachvollziehbar. Denn die Justiz stößt – wenn sie sauber bleiben will – schlicht an ihre Grenzen.

Umso wichtiger ist und bleibt es, dass die Göppinger Bürger nicht auf Gerichtsurteile warten, wenn es darum geht, gegen Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit und demokratiefeindliche Parolen aufzubegehren. An der Entscheidung, ob der Alltag in der Stadt und im Landkreis auch in Zukunft offen, demokratisch und lebendig bleibt, hat jeder einzelne Bürger Anteil. Sie wird nicht von Richtern in Stuttgart gefällt, sondern von den Bürgern, die sich jeden Tag aufs Neue entscheiden müssen, wie sie sich zu Hause im Wohnzimmer, auf der Straße und im Büro verhalten, wie sie mit ihren Mitmenschen umgehen, ob und wofür sie sich engagieren und nicht zuletzt, wem sie bei Wahlen ihre Stimme geben.