Ohne die Unterstützung der vielen Vereinsmitglieder wäre das Psychiatriemuseum MuSeele nicht das, was es ist: Ein Ort, an dem es nicht nur um eine Auseinandersetzung mit der Psychiatrie geht, sondern um die Frage, was den Menschen ausmacht.
Göppingen - Ein ehrgeiziges Programm wollen die Macher des Psychiatriemuseums MuSeele im Göppinger Klinikum Christophsbad in den nächsten Monaten stemmen. „Manche Projekte haben wir uns ausgesucht, manche drängen sich auf, wie der 250. Geburtstag Hölderlins“, sagt Rolf Brüggemann, der Leiter der Einrichtung. Besonders freut er sich auf den Mai. Dann eröffnet eine Ausstellung mit Plakaten von Psychiatriefilmen aus den vergangenen 100 Jahren. Der Titel: „Von Filmriss & Kopfkino“. Parallel dazu werden in Zusammenarbeit mit dem Verein Open End fünf Filme gezeigt. Nicht im Christophsbad, dem Sitz des MuSeele, sondern draußen, in der Stadt. Das ist Brüggemann wichtig.
Das MuSeele im Dachgeschoss des historischen Badhauses ist immer mal wieder für Überraschungen gut. Ob Ausstellungen über Kettenmenschen, wie psychisch Kranke in Afrika genannt werden, weil sie angekettet werden, über die Syphilis oder Kooperationen mit anderen Psychiatriemuseen – das kleine Psychiatriemuseum weiß, sich im Gespräch zu halten.
Filme sind anschaulicher als Lehrbücher
Rolf Brüggemann ist das auch ein Anliegen. Das MuSeele versteht er als einen Ort der Auseinandersetzung mit der Psychiatrie und im weitesten Sinn auch mit dem nur schwer zu fassenden Stoff, der Seele genannt wird. „Uns geht es in diesem Zusammenhang nicht nur um Psychopathologie, sondern um die Frage, was die Seele eines Menschen ausmacht.“
Seit die Bilder laufen lernten, gibt es auch Psychiatriefilme. Rolf Brüggemann findet das plausibel. Kein psychiatrisches Lehrbuch könne eine so starke Anschaulichkeit wie die Literatur oder der Film entfalten. 40 bis 50 Plakate sollen vom 7. Mai bis zum 7. Juli gezeigt werden. Die Sammlung reicht von dem 100 Jahre alten Film „Das Cabinet des Dr. Caligari“ über „Dr. Mabuse“ und „Marnie“ von Alfred Hitchcock bis zu „Einer flog über das Kuckucksnest“ mit Jack Nicholson und „Nebel im August“ aus dem Jahr 2016, der von einem 13-Jährigen in der Psychiatrie erzählt. Die Plakate sollen den Grundstock einer Sammlung bilden.
Doch zuvor werden die MuSeele-Macher in Zürich aktiv. Dort zeigen sie in den Räumen des Kunstasyls Bilder von Uwe Paulsen. Der gehörlose Künstler, der 80 Jahre alt ist und als geistig behindert gilt, verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in der Psychiatrie in Schleswig. Seine Begabung wurde in der Kunsttherapie entdeckt. Brüggemann hofft, dass diese Ausstellung zum Jahresende auch im Christophsbad zu sehen ist.
Eine Pflichtaufgabe sieht der MuSeele-Verein darin, an Friedrich Hölderlin (1770 bis 1843) zu erinnern, den wortgewaltigen Dichter, der dem Wahnsinn anheimfiel. Geplant ist der Besuch einer Aufführung des „Hölderlin“-Stücks von Peter Weiss an der Württembergischen Landesbühne in Esslingen. Außerdem soll es eine Sonderausstellung über den Dichter geben.
Gedenken an ermordete Psychiatriepatienten
Sehr viel Arbeit erwartet die ehrenamtlichen Helfer im Herbst. Für den Oktober ist eine Ausstellung über „Den Struwwelpeter“ geplant, das der Psychiater Heinrich Hoffmann im Jahr 1844 für seinen Sohn verfasste und das zum meistgelesenen Kinderbuch der Welt wurde. „Wir bekommen Exponate vom Struwwelpeter-Museum in Frankfurt“, sagt Brüggemann. Parallel zu der Ausstellung, die am 7. Oktober eröffnet wird, gibt es zum zehnjährigen Bestehen der Schule der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Christophsbads eine Tagung für Lehrer und Erzieher.
Besonders wichtig ist Brüggemann der 14. Oktober. An diesem Tag wird ein neues Mahnmal im Park der Klinik zum Gedenken an jene Psychiatriepatienten eingeweiht, die während der sogenannten Aktion T 4 von den Nationalsozialisten in Grafeneck ermordet wurden. Die Familie Landerer, in deren Besitz das Christophsbad ist, hat veranlasst, dass die Anzahl und das Schicksal jener Menschen genau erforscht wird. „Es waren 293 Patienten, mehr, als man bisher annahm, deshalb soll das alte Mahnmal auch ersetzt werden“, sagt Brüggemann. Das neue Mahnmal ist ein Stehpult, auf dem ein Buch liegt, in dem die Lebensdaten und Schicksale der ermordeten Patienten nachzulesen sind.