Alte Kirchen und eine grandiose Landschaft prägen das Land im Kaukasus. Foto: privat

Gerhard Kolb und Rolf Brüggemann waren in Armenien. Über ihre Studienreise halten sie an diesem Donnerstag in der Armenischen Kirche in Bartenbach einen Vortrag.

Göppingen - Bartenbach ist eines von drei armenischen Zentren in Deutschland. Die Armenische Gemeinde Baden-Württembergs besitzt jetzt in Bartenbach eine Kirche. Im Juni übergab die evangelische Kirchengemeinde dort die Alte Dorfkirche den Armeniern, die das Gotteshaus schon seit mehr als 30 Jahren nutzen. Das Land im Osten ist daher für viele Göppinger sehr präsent. Zwei Göppinger, Gerhard Kolb und Rolf Brüggemann, haben nun mit einer Reisegruppe neun Tage in Armenien verbracht. Eine Zeit voller Eindrücke sei es gewesen, sagen sie. Sie seien nun zwar keine Armenien-Spezialisten, aber ihre Erlebnisse schildern wollen sie allemal.

 

Gerhard Kolb, der wie Rolf Brüggemann bis zu seinem Ruhestand im Klinikum Christophsbad arbeitete, lebt in Bartenbach und ist, wie er anmerkt, als „Glöckner der Heilig-Kreuz-Kirche“ für die Turmuhr zuständig. Ihm ist es ein Anliegen, die Menschen hier über Armenien – ein Land voller Legenden und Geschichten, wie er sagt – zu informieren.

Ein Land im Strudel der Geschichte

Die Faszination Armeniens spricht aus jeder Episode, die die Reisenden erzählen. Drei Millionen Einwohner zählt der kleine Staat im Kaukasus, mehr als doppelt so viele leben in der Diaspora, wie Rolf Brüggemann es formuliert. Doch alle Armenier seien sehr mit ihrem Land verbunden. Möglicherweise hänge das mit dessen „opferreicher Geschichte“ zusammen. Armenien war vor 2500 Jahren zehnmal so groß wie heute. Im Lauf der Jahrhunderte wurde es immer wieder von anderen Staaten überrannt und geteilt. Die Gräben zu den muslimischen Nachbarn, der Türkei im Westen und Aserbaidschan im Osten, scheinen unüberwindbar zu sein.

Wie groß die Feindschaft ist, haben Rolf Brüggemann und Gerhard Kolb an der langen, mit Stacheldraht gesicherten Grenze zur Türkei gesehen. „Diese Grenze ist absolut dicht“, sagt Rolf Brüggemann. In Sichtweite – sofern der Nebel den Blick freigibt –  erhebt sich der Ararat, der heilige Berg der Armenier. Trotz seiner Nähe ist er für die Armenier unerreichbar, da er sich auf der türkischen Seite befindet.

Tief beeindruckt hat Kolb, dass Armenien das erste Land auf der Welt mit einer christlichen Staatsreligion war. Im Jahr 301 ließ sich König Trdat III. taufen – aus Dankbarkeit für eine Heilung, die er Gregor, dem Erleuchter, verdankte. Diesen hatte er einst in einem sieben Meter unter der Erde liegenden Kerker schmoren lassen, weil er Christ war. Kolb ist in das angebliche Verließ hinabgestiegen. „Es war so eng, dass ich meinen Strohhut abnehmen musste“, erzählt er. Unten sei der Schacht kaum breiter gewesen – „unvorstellbar, dass dort ein Mensch 13 Jahre lang ausgeharrt haben soll“.

Türkei leugnet bis heute den Genozid

Eine weitere Tragödie, die tief in das Gedächtnis des armenischen Volkes eingebrannt ist, ist der Völkermord in den Jahren 1915 und 1923, bei dem auf Befehl der Regierung des osmanischen Reiches bis zu 1,5 Millionen Armenier getötet wurden. Bis heute leugnet die Türkei diesen Genozid. Woher der Hass kommt? Gerhard Kolb kann nur vermuten. „Die Armenier konnten sehr viel früher lesen und schreiben, als die Muslime, und sie hatten schon früh Druckereien.“ Offenbar sei dadurch der Neid erwacht – „ähnlich wie in Deutschland gegen die Juden“.

Mit Fotos haben Brüggemann und Kolb die Reise dokumentiert. Prägend sind die großen Kirchen in einer grandiosen Gebirgslandschaft. Auch Fotos von Kreuzsteinen, kunstvoll behauenen Gedächtnissteinen, haben sie mitgebracht. Ein solcher Kreuzstein ist auch in Bartenbach zu sehen vor der Alten Dorfkirche.

Armenische Kirche in Bartenbach

Der Erwerb der Alten Dorfkirche in Bartenbach durch die Armenische Gemeinde wurde im vergangenen Dezember besiegelt. Im Juni fand die offizielle Schlüsselübergabe statt. Zu diesem Anlass kam auch der Bischof der armenischen Kirche in Deutschland, Serovpé Isakhanyan, nach Bartenbach. Er war kurz zuvor im armenischen Etschmiadzin, dem geistlichen Zentrum der Armenisch-Apostolischen Orthodoxen Kirche, zum Bischof geweiht worden. In den nächsten Jahren will die Armenische Kirchengemeinde eine dringend anstehende Innen- und Außenrenovierung des Gotteshauses stemmen – ein großes Unterfangen, da der Denkmalschutz ein Wort mitzureden hat und die Gemeinde keine Kirchensteuern einnimmt. Nach der Instandsetzung soll das Gotteshaus auch evangelischen und rumänischen Christen offen stehen. Außer in Göppingen besitzt die Armenische Gemeinde nur noch in Köln und Halle eine eigene Kirche.

Die Alte Dorfkirche St. Otmar im Göppinger Stadtbezirk Bartenbach ist 650 Jahre alt. Als die evangelische Kirchengemeinde Mitte der Siebzigerjahre in ihr neues Gemeindezentrum umzog, stand das Gotteshaus zunächst leer. Von 1983 an nutzte die Armenische Kirchengemeinde Baden-Württemberg das Gebäude, das nun den Namen Heilig-Kreuz-Kirche trägt.

Kirchengemeinde
Die armenische Kirchengemeinde Baden-Württemberg zählt rund 5000 Mitglieder. Im Bereich zwischen Göppingen und Ulm leben 60 armenische Christen, die regelmäßig die Gottesdienste in Bartenbach besuchen. Zu den größeren Veranstaltungen in der Heilig-Kreuz-Kirche kommen bis zu 350 Gläubige aus ganz Baden-Württemberg.