Übersichtlich und anschaulich präsentiert sich die neue Dauerausstellung zur Geschichte der Juden in der ehemaligen Dorfkirche in Jebenhausen. Foto: Ines Rudel

Das Jüdische Museum hat wieder geöffnet. Die überarbeitete Schau über die Geschichte der Juden in Jebenhausen ist anschaulich und lehrreich zugleich. Sie zeigt eindrücklich, wie wichtig die Vergangenheit für das Verständnis der Gegenwart ist.

Göppingen - Das Warten hat sich gelohnt. Die in anderthalb Jahren komplett überarbeitete Dauerausstellung des Jüdischen Museums zur Geschichte der Juden in Jebenhausen ist absolut sehenswert – und lehrreich, ohne schulmeisterlich zu sein. Obwohl die Erläuterungstexte kurz und prägnant gehalten sind, wird die Darstellung der Komplexität des Themas gerecht. Und es zeigt sich, dass es richtig war, die in die Jahre gekommene, zu ihrer Zeit aber nicht weniger gelungene und moderne Vorgängerausstellung aufzubereiten. Denn seit der Eröffnung des Jüdischen Museums in der ehemaligen Dorfkirche von Jebenhausen vor nunmehr 27 Jahren ist die historische Forschung nicht stehengeblieben. Neue Erkenntnisse haben nun in die Darstellung dieses Kapitels der Jebenhäuser und Göppinger Geschichte Eingang gefunden.

Der Fall des Göppinger Apothekers Capesius

So widmet die Ausstellung auf der Empore der ehemaligen Dorfkirche mehrere Kapitel der Zeit nach 1945. Beleuchtet wird auf weißen Stellwänden unter anderem die juristische Aufarbeitung der NS-Zeit auf lokaler Ebene. Besonders bemerkenswert und wohl auch exemplarisch ist in diesem Zusammenhang der Fall des Göppinger Apothekers Victor Capesius. Der ehemalige SS-Sturmbannführer wurde im Dezember 1959, also erst 14 Jahre nach Kriegsende, verhaftet und vor Gericht gestellt. Als Lagerapotheker von Auschwitz war er einer jener Männer, die an der sogenannten Rampe Kinder und ihre Mütter, Kranke und Alte „selektierte“ und in den Tod schickte. Dreist stritt er jede Verantwortung ab und behauptete: „Ich bin nicht schuldig geworden in Auschwitz.“ Das Gericht verurteilte ihn zu neun Jahren Zuchthaus. Nach Verbüßung seiner Strafe kam er zurück, nach Göppingen.

Zu der Geschichte der Nachkriegszeit gehört auch das Erinnern und das Gedenken. Inge Auerbacher, die als Siebenjährige von Göppingen nach Theresienstadt deportiert wurde und die bis heute Verbindung mit ihrer Heimatstadt hält, obwohl sie kurz nach Kriegsende in die USA emigrierte, ist ein Filmausschnitt gewidmet, der per Touchscreen aktiviert werden kann. Aufgeführt werden zum Ende des Rundgangs ferner die Orte, an denen an die NS-Gräuel erinnert wird. Ein Gedenkstein für die Opfer des Holocaust in der jüdischen Abteilung des Göppinger Friedhofs machte im Jahr 1953 den Anfang.

Neue Medien dienen der Wissensvermittlung

Der Nachkriegszeit vorgeschaltet sind auf schwarzen Stellwänden die Jahre des NS-Terrors in Göppingen. Berührend sind in diesem Zusammenhang die vielen Einzelschicksale ermordeter Göppinger Juden, die die Ausstellung nun in Text und Bild berücksichtigt. Zurückgreifen konnten die Ausstellungsmacher auf die Arbeit der örtlichen Stolpersteininitiative, die in aufwendiger Recherche die Geschichte der Opfer des Holocaust dem Vergessen entrissen hat. Obwohl die Biografien nur skizziert werden, lassen sie das Ausmaß der Gräuel erahnen. „Fahrt in die Hölle, Saupack“, rief der damalige Oberbürgermeister Erich Pack den Menschen zu, die in stockdunkler Nacht wie „Verbrecher auf den Bahnhof“getrieben wurden.

Die Ausstellung, die zahlreiche historische Dokumente, Fotografien und auch Gegenstände des jüdischen Alltags zeigt, nutzt auch neue Medien. An Recherchestationen können die Besucher Stichworte anklicken und ihr Wissen erweitern. Über Kopfhörer kann man etwa auch Gebhard Müller lauschen, dem späteren baden-württembergischen Ministerpräsidenten, der in der Reichspogromnacht, in der Geislinger SA-Männer die Synagoge in Brand steckten, Bereitschaft im Amtsgericht in Göppingen hatte.

Selbstverständlich sind die Essentials der Vorgängerausstellung wieder eingeflossen. So gibt es Informationen über das Judentum als solches, über die Geschichte der Juden in Jebenhausen – besonders hübsch ist ein Animationsfilm darüber – und über die NS-Zeit in Göppingen.