Ohne Uniform, ohne dienstliche Verpflichtung: Rudolf Bauer genießt seinen Ruhestand. Foto: Horst Rudel

Rudolf Bauer war als Pressesprecher fast 20 Jahre lang das Gesicht der Polizei. Jetzt freut er sich auf viel Zeit mit seinem Enkelkind. „Das Selbstbestimmte ist jetzt meins“, sagt der frischgebackene Ruheständler.

Göppingen - Dass seine Augen so unverschämt blau sind, ist in den vielen Jahren der Zusammenarbeit nicht wirklich aufgefallen. Vielleicht weil gewöhnlich die Polizeimütze das Gesicht beschattete, und sowieso die Drähte meistens telefonisch heiß liefen. Nur bei wirklich schlimmen Vorfällen und bei Pressekonferenzen begegneten die Journalisten Rudolf Bauer persönlich. Seit dem Vierfachmord von Eislingen, bei dem im Jahr 2009 der Sohn der Familie mit einem Schulfreund seine Eltern und seine beiden Schwestern erschoss, war er in der Öffentlichkeit das Gesicht der Göppinger Polizeidirektion und später dann, nach der Reform, des Polizeipräsidiums in Ulm. Der Fall hatte damals bundesweit Wellen geschlagen. Er habe alles erlebt, sagt Bauer, von Hausstreitigkeiten bis zum Mord.

Am Tag drei nach dem Ende seines Berufslebens sitzt Rudolf Bauer „tiefenentspannt,“, wie er sagt, in einem Straßencafé vor dem Göppinger Rathaus, in Jeans und blauem T-Shirt. Den Motorradhelm deponiert er neben sich auf einem Stuhl und bestellt ein Weizen, alkoholfrei, er ist mit seiner Vespa unterwegs. Gerade noch hat er eine Besuchergruppe durch die Stadt geführt. Das tut er seit 20 Jahren. Er möchte den Menschen die Augen für den verborgenen Charme seiner Heimatstadt öffnen. „Ich bin Lokalpatriot“, sagt er und entdeckt im Gedränge des Marktplatzes einen Nachbarn, der der Poststraße zustrebt. Bauer winkt kurz. „Der muss die Katze seiner Tochter füttern.“

Alle Stationen durchlaufen

Auf sein Berufsleben schaut Bauer zufrieden zurück. „Ich habe meine Arbeit gern gemacht, sehr gern“, räsoniert er. Trotzdem hat er den frühesten Zeitpunkt zum Aufhören gewählt. Bauer ist im Januar 60 Jahre alt geworden. Den Ausschlag, die Uniform an den Nagel zu hängen, gab nicht zuletzt der Ort seines Wirkens: Ulm. Die Stadt sei so weit weg vom Kreis Göppingen, und am Ende eines Berufslebens auch noch das Pendeln anzufangen, sei schwierig. Und noch etwas hat ihm nicht gepasst: „das Stupfen“, das Zeiterfassen bei Dienstbeginn und -ende. In seiner Ausbildung als Werkzeugmacher bei Bellino in Göppingen – damals war er 17 Jahre alt – habe er das zum letzten Mal machen müssen.

Dass er nicht Werkzeugmacher geblieben ist, ist dem Wehrdienst zu verdanken. Rudolf Bauer beschloss, lieber zwei Jahre zur Polizei als zur Bundeswehr zu gehen, so wie das damals möglich war. Er ist hängengeblieben, und hat im Kosmos der Polizei fast alle Stationen und Dienstgrade durchlaufen. Er holte die mittlere Reife und die Fachhochschulreife nach und fing mit knapp 40 Jahren mit einem Studium an. Er genoss es, dass viele seiner Kommilitonen seine Kinder hätten sein können.

„Geburtshelfer“ des Barbarossa-Berglaufs

Nach Ende des Studiums verschlug es ihn kurz zum Streifendienst nach Uhingen, bevor er 1999 in die Pressestelle der Göppinger Polizeidirektion wechselte, zunächst als Ausbildungsberater. „Das hat richtig Spaß gemacht, viel mit jungen Leuten tun zu haben“, erzählt er. Auch heute noch taxiert er Menschen gerne danach, ob sie alle Voraussetzungen für den Polizeidienst mitbringen würden. Die Schreiberin dieser Zeilen verblüfft er mit einer genauen Schätzung ihrer Körpergröße. „1,59 Meter, das würde nicht reichen, 1,60 Meter müssen es sein.“ Viele der jungen Menschen, die er beraten hat, sind nun Polizisten. „Gute Leute“, lobt er. Überhaupt habe er „sehr viele tolle Menschen“ kennengelernt.

Auch den anderen Stationen seines Berufslebens kann er viel abgewinnen. Als Einsatzbeamter sei er in Brokdorf, auf der Startbahn West und auch im nahen Mutlangen gewesen. Probleme habe er da nie gehabt. „Ich habe mit den Leuten gesprochen.“ Und im Falle Mutlangens hegte er Sympathie für die Demonstranten. „Wenn dort eine Pershing hochgegangen wäre, dann hätte es uns hier auch getroffen.“

Die Planung für die nächsten Jahre steht. „Das Selbstbestimmte ist jetzt meins“, sagt Rudolf Bauer und lacht. Bisher hatte immer der Beruf Vorfahrt. Wenn mitten in der Nacht ein Anruf einging, dann musste er aus den Federn, sich ein Bild der Lage verschaffen und der Presse Rede und Antwort stehen. Mit einem Acht-Stunden-Tag war es da oft nicht getan. Jetzt aber hat er freie Bahn für seine Aktivitäten als Stadtführer und Stadtrat. Außerdem stehen Radeln und Laufen auf seiner Agenda. „Ich bin schon 1200-mal auf den Hohenstaufen gelaufen und war Geburtshelfer des Barbarossa-Berglaufs“, erzählt er. Und er will viel Zeit mit seinem Enkel verbringen. „Das ist der schönste Job.“