Die Ausstellung ist ein deutsch-chinesisches Gemeinschaftsprojekt. Meng Tian, der künstlerische Leiter des Luxehills Kunstmuseums in Chengdu, der Kunsthallenchef Werner Meyer, Bin Feng, Künstler und Direktor des Kunstmuseums der Hochschule der Künste in Sichuan, und der Übersetzer Yan Li (von links) haben sie zusammen mit anderen ermöglicht. Foto: Ines Rudel

Die Ausstellung „Ink. Zeitgenössische Tuschemalerei aus China“ zeigt, wie Künstler die traditionelle Malerei mit Techniken aus dem Westen, mit Gesellschaftskritik und neuen Ideen verbinden.

Göppingen - Tusche und Reispapier, das ist für die chinesische Kunst wohl in etwa, was Öl und Leinwand für westliche Künstler bedeuten – nur dass die Tradition der Tuschemalerei noch wesentlich älter ist. Seit dem zweiten Jahrhundert haben Schüler im Land der Mitte von ihren Meistern durch geduldiges Kopieren großer Werke gelernt, wie man mit Tusche feine Landschaften und Sittengemälde zaubert. Die Motive und Techniken sind von Generation zu Generation weitergegeben worden und haben sich nicht wesentlich geändert – bis jetzt. Mit der zunehmenden Öffnung Chinas beginne sich auch die Kunst zu verändern, berichtet der Leiter der Göppinger Kunsthalle, Werner Meyer. Wie sie sich verändert hat, das ist bis zum 29. April in der Kunsthalle zu sehen.

Dass die Werke von neun ganz unterschiedlichen Künstlern ihren Weg nach Göppingen gefunden haben, ist einer Kooperation mit dem Luxehills Kunstmuseum in Chengdu und der Hochschule der Künste in Sichuan zu verdanken. Meyer hat bei mehreren Reisen nach China Kontakt zu vielen Künstlern geknüpft und sich „von ihnen Ausstellungen in Museen und Galerien zeigen zu lassen“, wie er erzählt. Zusammen mit Meng Tian, dem künstlerischen Leiter des Luxehills Kunstmuseums, und Bin Feng, dem Direktor des Kunstmuseums an der Hochschule der Künste in Sichuan, sowie einigen weiteren Helfern hat er die Ausstellung „Ink. Zeitgenössische Tuschemalerei aus China“, die zuvor im Luxehills Museum zu sehen war, nach Göppingen geholt.

Eine ganze Stadt für Kunststudenten

Im Gegensatz zu früher gebe es heute zwar noch Grundklassen, in denen die Schüler weiterhin von alten Meistern das traditionelle Malen lernten. Der eigentliche Ausbildungsbetrieb an den Kunstakademien aber habe sich auch in China verändert, erzählt Bin Feng, der bei der Ausstellung ebenfalls mit einigen Bildern vertreten ist. Heute würden die jungen Künstler individuell gefördert, es gehe nicht mehr wie früher darum, nur die traditionelle Kunst zu erhalten. An der Hochschule der Künste in Sichuan, der größten Chinas, seien 80 000 Studenten eingeschrieben, ergänzt Meyer. „Das ist eine eigene Stadt, die größer als Göppingen ist.“ Zum Vergleich: Die Universität der Künste in Berlin, die größte Kunsthochschule Europas, habe etwa 5000 Studenten.

Dass die Kunstwelt in China nicht nur groß ist, sondern auch vielfältig, zeigt die Ausstellung eindrücklich. Da sind etwa die Landschaften von Tiande Wang: auf den ersten Blick ganz nah an der traditionellen Landschaftsmalerei, auf den zweiten Blick zeigt sich, dass er mit neuen Techniken wie Einbrennungen arbeitet. Die Landschaften von Deshu Qiu sind abstrakt, der Bezug zur Tradition ist dennoch zu spüren. Genau wie bei Guang bin Cai, der eigentlich nackte Körper malt – etwas völlig Neues in der chinesischen Kunst, die keine Aktmalerei kennt. Doch der sanfte Schwung, mit dem sich hier eine Hüfte wölbt und dort eine Schulter senkt, erinnert eher an Hügellandschaften als an Menschen.

Bin Feng malt tanzende Bürger

Ein Motiv, das man in vielen Städten Chinas sieht, hat Bin Feng aufgegriffen: Menschen, die in Parks und auf Plätzen mit Hingabe Walzer, Tango und andere klassische Paartänze tanzen. Feng stellt die Tanzenden auf einem Teil seiner Bilder nackt dar. Zwischen den Tänzern entstünden Wärme und Zugehörigkeit, sie brauchten keine Kleidung, sagt Feng. Er setzt damit ein Zeichen gegen „die Kälte, die heute in unserer Gesellschaft herrscht“.

Noch deutlicher wird die Gesellschaftskritik in den Bildern von Jin Li, der auf bunten Bildern Gruppen zeigt, die sich aus den unterschiedlichsten Typen zusammensetzen. Aus den Gedichten, die einst die Tuschemalereien vervollständigten, hat er kurze Sätze gemacht, die er neben die Figuren auf die Leinwand wirft. „Food is the God of the People“ (Nahrung ist der Gott der Leute) steht da etwa neben einem von Würsten umrahmten Quartett, das zum Teil selbst ein bisschen etwas von schlachtreifen Schweinchen hat.

Kalligrafie-Workshop und mehr in der Kunsthalle

Workshop
: Der in Stuttgart und Peking lebende Künstler Xianwei Zho leitet am 25. April um 16 Uhr einen zweistündigen Kalligrafie-Workshop (Anmeldung bis 4. April, Telefon 0 71 61/65 07 95). Um 19 Uhr folgt ein Talk mit dem Kunsthallenleiter Werner Meyer über die Ausstellung und die aktuelle Situation der Kunstakademien in China.

Kinder:
An diesem Samstag von 11 bis 13 Uhr können Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren zur „Malzeit“ kommen. Zusammen mit Kunstpädagogen betrachten sie zuerst die Ausstellung, dann wird im Kinderatelier gezeichnet (Anmeldung bis Donnerstag, 29. März, 14 Uhr). Kosten: fünf Euro. Die „Malzeit“ wird immer samstags angeboten.

Erwachsene:
Es gibt Führungen am Karfreitag, Ostersonntag und Ostermontag jeweils um 15 Uhr. Am Donnerstag, 5. April, kann man die Ausstellung bei einer „Lunchführung“ um 12.30 Uhr kennenlernen (Anmeldung bis 4. April, 14 Uhr). Weitere Führungen sind sonntags um 15 Uhr und donnerstags (mit Anmeldung) um 12.30 Uhr.