Foto: Pressefoto Baumann

Der Nachwuchs kämpft beim weltweit größten Tanzturnier um die Aufmerksamkeit der Jury.

Stuttgart - Fünfmal Applaus, dann kann es schon wieder vorbei sein: In den ersten Runden der GOC-Nachwuchswettbewerbe ertanzen sich die Paare auf dem übervollen Parkett die Gunst der Juroren - oder fahren unbemerkt wieder nach Hause.

Die Alte Reiterhalle hat vor lauter Menschen ihren Charme als Ballsaal verloren. Es ist stickig, in der Luft hängt ein Gemisch aus Bodylotion und Selbstbräuner: Die German Open Championships (GOC), das Tanzturnier mit dem größten Starterfeld weltweit, sind wieder in der Stadt. In den Nachwuchsklassen sind die ersten GOC-Sieger schon gekürt worden. Im Wettbewerb "Youth Latin" geht es dabei nicht weniger international zu als bei den Profis: Man hört man ein wenig Italienisch, ein bisschen Chinesisch und jede Menge Russisch - und mittendrin stehen Andreas Stucke (16) und Jasmin Günthner (14) vom 1.TSC Schwarz-Rot Herrenberg, die sich in den kurzen Pausen staunend umsehen.

"Es ist das größte Turnier, das wir bisher getanzt haben, und wir sind zum ersten Mal dabei", sagt Blondschopf Stucke. Seit zwei Stunden sind er und seine Tanzpartnerin da, haben Samba, Cha-Cha-Cha, Rumba, Paso doble und Jive getanzt. Wahrscheinlich war es das für beide schon: "Ich denke nicht, dass es für die zweite Runde reicht, die Konkurrenz ist zu gut", sagt Stucke.

Realismus ist wichtig, wenn man als Debütant im ersten Durchgang ran muss. Es ist ein Windhundrennen: Die Tänze dauern jeweils nur zwei oder drei Minuten. Mehr Zeit haben die Sportler nicht, um sich die Gunst der Juroren zu ertanzen. Das Problem dabei: Mindestens 15 Paare tanzen gleichzeitig auf dem Parkett. Und die elf Kampfrichter haben nur jeweils zwei Augen. "In der ersten Runde sind Körpersprache und Ausstrahlung wichtig. Man muss sich die Aufmerksamkeit der Juroren erkämpfen", sagt Günthner, die in der bis 18 Jahre offenen Altersklasse eine der Jüngsten ist. "Erst in den folgenden Runden, wenn weniger Paare zeitgleich tanzen, entscheiden wirklich Technik und Qualität", ergänzt ihr Tanzpartner.

Im vollen Saal fallen schon kleine Fehler schwer ins Gewicht: Jedes Stolpern zieht automatisch die Aufmerksamkeit der Kampfrichter auf sich - das ist dann aber genau die Art von Aufsehen, die sich kein Tänzer wünscht. Und Missgeschicke sind bei der Kombination aus kleiner Fläche und großer Anzahl an Sportlern vorprogrammiert: Ab und an fällt ein Tänzer über fremde Füße, gelegentlich erwischt eine Tänzerin in der Drehung auch den Partner einer anderen.

Wer sich da einen Namen machen will, braucht Ellenbogen, um trotzdem standhaft zu bleiben. Wer schon einen hat - wie Maxim Stepanov und Viktoria Konstantinova vom Schwarz-Weiß-Club Pforzheim -, kann entspannter an die Sache herangehen: Gesetzte Paare steigen erst am frühen Nachmittag in Runde zwei ein, wo von den 271 Startern nur noch knappe 100 übrig sind.

Für Andreas Stucke und Jasmin Günthner hat es dorthin doch nicht gereicht. 2012 wollen sie wieder an den Start gehen: "Das ist das Mekka des Tanzsports, jeder will hier erfolgreich sein", schwärmt Stucke. Dass er vom Sport einmal leben kann, glaubt er nicht, stattdessen wird er eine Ausbildung zum Modedesigner beginnen. Seine Partnerin geht noch zur Schule und hat den Traum noch nicht ganz begraben: "Man muss schauen, was kommt." Doch der Weg zum Tanzprofi führt nur durch stickige Säle, in denen man die Ellenbogen ausfahren muss.