Nach dem Glücksspiel-Staatsvertrag müssen 15 der Spielhallen in Ludwigsburg zum 1. Juli dichtmachen – eigentlich. Doch es besteht noch Rechtsunsicherheit. Droht eine Klagewelle?
Ludwigsburg - Genau 18 Spielhallen gibt es derzeit in Ludwigsburg. Drei davon bleiben nach Auskunft der Stadt erhalten, alle anderen müssen von Gesetzes wegen eigentlich am 1. Juli dichtmachen, nachdem sie wegen Corona erst am 7. Juni wieder öffnen durften. Hintergrund ist der seit 2012 geltende Glücksspiel-Staatsvertrag, für den die Übergangsfrist nun ausläuft. Er schreibt einen Mindestabstand von 500 Metern von Spielhallen untereinander sowie zu Kinder- und Jugendeinrichtungen vor. So soll der Spielsucht Einhalt geboten werden. In Ludwigsburg gibt es eine Häufung von Spielhallen zwischen Holzmarkt und Täle, ebenso in der Nähe des Bahnhofs.
Eine Schließung von Spielhallen ist indes offenbar nicht so einfach. Die Stadt hat vier Monate lang intensiv geprüft und ihre Entscheidung, wer noch eine Konzession bekommt und wer nicht, erst am Mittwoch getroffen. „Hier spielt die unsichere Rechtslage und der hohe Schutz der Berufsfreiheit eine große Rolle“, erklärt Pressesprecherin Meike Wätjen auf Anfrage und betont: „Die Spielhallen müssen erst schließen, wenn in letzter Instanz darüber entschieden wurde.“
Klare Auswahlkriterien fehlen, jede Kommune entscheidet für sich
Der Dachverband Die deutsche Automatenwirtschaft (DAW) rechnet mit einer Klagewelle. Der Grund: „Es ist völlig unklar, welche Spielhallen schließen müssen, weil Auswahlkriterien fehlen. Die Landesregierung lässt die Unternehmen, ihre Mitarbeiter und die Ordnungsbehörden im Regen stehen.“ Diesen Vorwurf von Georg Stecker, dem DAW-Vorstandssprecher, bestätigt auch die Stadt Ludwigsburg auf Nachfrage. Aus dem Wirtschaftsministerium heißt es dazu, man habe Anwendungshinweise gegeben und mit den Kommunen einen Frage-Antwort-Katalog erarbeitet. „Die Entscheidungen über Anträge von Spielhallenbetreibern können jedoch nur die örtlich zuständigen Behörden treffen, da es hierbei auf die Kenntnis der Umstände des jeweiligen Einzelfalls ankommt“, so eine Sprecherin.
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Dass es keinen Kriterienkatalog seitens der Landesregierung gibt, stört auch Jürgen Kling, der mit seiner in Baindt bei Ravensburg ansässigen Firma Kling Automaten GmbH die Joker-Spielhalle in der Schillerstraße betreibt. „Das ist absoluter Irrsinn, was da gerade abläuft“, klagt er. „Wir haben in Baden-Württemberg einige Standorte und wissen nicht, was am 1. Juli passiert. Auch die Behörden sind überfordert.“ Dabei ist er in Ludwigsburg noch einer der Glücklichen. Von seinen bislang drei Konzessionen für je zwölf Spielautomaten bleibt voraussichtlich eine. Das heißt aber auch, dass von den acht Mitarbeitern die Hälfte gehen muss. Andernorts gehört er, obwohl er die TÜV-geprüften Spielhallen überall nach demselben Konzept betreibt, zu den Verlierern. Dort wird er wohl klagen, in Ludwigsburg erwartet er, dass dies Mitbewerber tun.
Arbeitsplätze und Firmen sind gefährdet
Simon Obermeier, Pressesprecher der Firma Löwen Entertainment in Bingen, die unter der Marke Admiral eine Spielhalle in der Bietigheimer Straße betreibt, erklärt, man behalte sich eine juristische Überprüfung von Schließungen vor. „27 unserer 54 baden-württembergischen Standorte sind von einer Abstandskollision betroffen – ihnen droht die Zwangsschließung. Die Arbeitsplätze vor Ort sind dadurch akut gefährdet.“ Die Branche will am Mittwochabend bereits zum zweiten Mal mit einer Illumination des Landtags protestieren.
Doch auch andere bangen um ihre Existenz. Das macht das Beispiel von Charalambos Ketikidis deutlich. Seine Firma Eurotronic GmbH vertreibt von der Osterholzallee aus Spielautomaten und Zubehörprodukte wie Casino-Sessel. „Das ist, wie wenn der Daimler plötzlich zumacht, dann haben die Zulieferer auch keine Aufträge mehr.“ Wegen Corona habe man ohnehin schon ein schwieriges Jahr gehabt, sagt Ketikidis. Nun befürchtet er: „Mich wird’s richtig treffen.“
Werden illegale Spielhöllen gefördert?
Die Deutsche Automatenwirtschaft (DAW) hält die Schließung konzessionierter Spielhallen für den falschen Weg, um eine Sucht zu verhindern: „Wir brauchen eine Stärkung des legalen Spiels, denn das ist das wirksamste Mittel im Kampf gegen Illegalität und den Schwarzmarkt“, zeigt sich DAW-Vorstandssprecher Georg Stecker überzeugt. Und der Pressesprecher des Verbands, Thomas Knollmann, nennt als Negativbeispiel Berlin: „Dort wurden die Spielhallen stark reglementiert, und dort gibt es die fiesesten Hinterzimmerläden.“ Spielsucht könne man nur entgegenwirken, wenn man hinschaue – „und die Mitarbeiter in Spielhallen sind auf das Erkennen von Sucht geschult und auch auf die entsprechende Ansprache“, betont er.
Illegale Spielhöllen befürchtet die Ludwigsburger Polizei jedoch aktuell noch nicht: „Das lässt sich nicht vorhersagen“, meint Polizeisprecher Stefan Hermann auf Nachfrage. Er geht davon aus, dass für die Einrichtung einer illegalen Spielhölle die Hemmschwelle relativ hoch ist. Bis jetzt sei illegales Glücksspiel in Ludwigsburg auch noch kein sehr großes Thema, obwohl man in Corona-Zeiten „immer mal wieder“ jemanden erwischt habe. „Wenn die Gaststätten geschlossen haben, fällt es einfach mehr auf, wenn dann dort doch erkennbar Betrieb ist.“