Beim Faschingsumzug verboten: Konfetti Foto: dpa

Der Schwabe schmeißt nichts weg, nicht mal Konfetti. Laut amtlicher Verfügung ist das Werfen von Papierschnipsen heuer verboten. Karneval ohne Konfetti, das kann nur ein erster Schritt sein, findet unser Autor Frank Rothfuß in seiner Glosse. Folgerichtig wäre nun: Karneval – ohne Karneval.

Stuttgart - Der Schwabe schmeißt nichts weg. Nicht mal Konfetti. Amtlich verboten ist heuer den Narren das Werfen von Papierschnipseln. Das Hantieren mit Besen und Kutterschaufel ist zwar Nationalsport, doch die Kehrwoche könne fatale Folgen haben, lässt die Obrigkeit verlauten. Beim Wegfegen der Schnipsel beschädige man das „historische Pflaster“ vor dem Neuen Schloss. Warum die Steine einen Besen nicht ertragen können, wohl aber die Autos der Ministerialen, die drüberrumpeln und im Ehrenhof parken, ist schwer erklärbar. Sei’s drum. Karneval ohne Konfetti, das ist mal ein Anfang. Nächster folgerichtiger Schritt: Karneval – ohne Karneval. Die Pietisten arbeiten daran. Die Süddeutsche Gemeinschaft Meßstetten lädt über Karneval zu Alternativtagen mit „Bibel-Input“ und Predigten.

Der Schwabe schmeißt nichts weg

Warum eigentlich? Passt doch der Karneval wunderbar nach Alt-Württemberg. Dem Pietisten ist ja bei Androhung der Hölle der Frohsinn verboten. Und es gibt nur eine Veranstaltung, die freudloser ist als die Bibelstunde: eine Prunksitzung. Auch dort hört man so manche Stoßgebete: Herr, jetzt geht das schon fünf Stunden. Erbauung durch Leiden – nach fünf Büttenreden am Stück weiß man, was das bedeutet. Wohl deshalb hat sich im württembergischen Kernland der Karneval festgesetzt, da wird der Ablass der Sünden gleich mitgeliefert.

Die schwäbisch-alemannische Fasnet ist dem Alt-Württemberger zu trubelig, zu wild. Seit aus dem Herzogtum Württemberg Anfang des 19. Jahrhunderts das Königreich Württemberg von Napoleons Gnaden wurde und die Katholiken aus Oberschwaben zu den Reformierten hinzustießen, betrachtet man sich mit Argwohn. Um die Untertanen einander näherzubringen, beschrieb das Statistisch-Topographische Büro die einzelnen Oberämter. Den Stuttgarter Raum charakterisierten die Beamten mit „Fleiß, Arbeitsamkeit und Mäßigkeit“. Und sie wunderten sich über die „Eigenthümlichkeiten der Oberschwaben“, „er ist weicher und gemächlicher, erspart sich Handarbeiten, geht selten zu Fuß“. In Oberschwaben seien die „moralischen Eigenschaften, Charakter, Sitten, Leben, wesentlich von Charakter und Lebensweise der Altwürttemberger verschieden“.

Unfassbare Auswüchse in Oberschwaben: Brezeln werden verschenkt

Kein Wunder, dass aus Stuttgart alsbald der Erlass erging, „dass für die Zukunft alle Vermummungen auf Straßen und an öffentlichen Orten allgemein verboten“ seien. Das Verhüllungsverbot für Narren machte der Fasnet schier den Garaus, der rheingschmeckte Karneval zog ein. Die Honoratioren setzten sich die Narrenkappe auf und schunkelten. Bis um 1900 die Handwerker, Bauern und Arbeiter die Häs vom Speicher holten und der Straßenfasnet neues Leben einhauchten. Mit wildem Auswüchsen, sogar so unfasslichen wie dem Verschenken von Würstchen und Brezeln.

Abgesehen von den katholischen Enklaven Neuhausen, Hofen und Bad Cannstatt hielt es der Alt-Württemberger aber mit Martin Luther, der Fasten nicht für gottgefällig hielt und folglich auch die Ausschweifungen vor Beginn der Fastenzeit ablehnte. Er soll gesagt haben: „Eine Fastnachtsfeier gilt erst als gelungen, wenn Bierkrüge durch die Wirtshäuser fliegen und auf den Köpfen der Gäste des Nebentisches zerspringen.“ Er wird mit Freuden nach Stuttgart blicken: Da fliegt nicht mal Konfetti.