Kanzlerin Merkel sagt morgens um vier: „Guten Morgen, heute geht’s weiter.“ Foto: dpa

Dusche und Doppelkopf: Nach Marathon-Sitzungen setzen unsere Politiker intellektuelle Glanzlichter fürs Volk – eine nicht ganz ernsthaft gemeinte Betrachtung zum Sinn des unentwegten Verhandelns.

Berlin - Wer in diesen Stunden Jamaika schon für gescheitert erklärt, der hat die Zeichen der Zeit völlig verkannt: Jamaika blüht, lebt und gedeiht! Die Vierparteien-Koalition arbeitet bereits hart. Sie hat mit ihrer bis um vier Uhr am Morgen dauernden Verhandlungsrunde bereits ein arbeitszeitpolitisches Zeichen gesetzt: Der 15-Stunden-Tag für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wird eines Tages kommen, dies ist ein erste Kompromisslinie zwischen dem Festhalten am Mindestlohn – ein Geschenk der FDP – und der Aufweichung der 35-Stundenwoche.

Wäre die gemischte Sauna nicht der bessere Tagungsort

Lange Arbeitskonferenzen wie die von Donnerstag auf Freitag spornen unsere Politiker zu intellektuellen Höchstleistungen an: „Guten Morgen, heute geht’s weiter!“ soll Angela Merkel nach Verlassen des Tagungsortes gesagt haben. Selten hat das Volk so elektrisierend-motivierende Worte aus dem Munde der Kanzlerin gehört wie jetzt. Nur, „am Horizont geht’s weiter“, wäre noch schöner gewesen. Und dann der Segelbootsbesitzer Wolfgang Kubicki (FDP) aus Kiel: Er müsse jetzt erstmal „anderthalb Stunden duschen“, sagte Kubicki. Anderhalb Stunden? Also 90 Minuten? Diese bodenständige Aufrichtigkeit, die aus Kubicki Worten spricht, ist einerseits faszinierend und signalisiert Volksnähe, anderseits gibt sie dem Bürger doch kleine Rätsel auf: Hat Kubicki zu dicht neben dem langhaarigen Anton Hofreiter (Grüne) gesessen? Wie hoch ist der Wasserverbrauch der künftigen Regierung, wenn Kubicki für zehn Minuten Konferenzdauer rund eine Minute duschen muss? Sollten weitere Jamaika-Konferenzen in die gemischte Sauna verlegt werden, wo jeder schwitzen darf wie er will, und keiner neben Peter Altmaier (CDU) sitzen will?

Aber dies sind nur Aspekte am Rande. Anderes ist wichtiger. Bei der Jamaika-Nacht soll laut „Spiegelonline“ im Grünen-Zimmer Doppelkopf gespielt worden sein – mit Unions-Leuten! Kann eine politisch-inhaltliche Debatte tiefer führen als beim Kartenspiel? Auch beim Doppelkopf muss der Spielpartner gesucht werden, ständig neu wird sondiert, ausgelotet! Wie in der echten Politik. Und auch beim Doppelkopf darf ein Solo gespielt werden, was in der Mehrzahl Soli heißt, aber jetzt doch eine Betrachtung ist, die uns nicht unbedingt weiterführt. Jedenfalls gelten beim Kartenklopfen unerschütterliche auch in der Politik zutreffende Wahrheiten. Die Frage „Wer kommt raus?“ provoziert beispielsweise automatisch die Antwort: „Die Sau, die grunzt.“

Konfuzius geht immer – vor allem bei Jamaika

Politiker äußerten sich nach der Marathon-Sitzung in Berlin vielversprechend. „Jamaika wird kommen“, wird Günther Oettinger (CDU) zitiert, das ist eine ebenso allgemeingültige Aussage – sozusagen eine Leitplanke der Politik – wie das von Lale Andersen gesungene „Ein Schiff wird kommen“ seinen Ewigkeitswert hat.

Auch von den Grünen kam ein substanzieller Beitrag insofern, als der EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer den chinesischen Philosophen Konfuzius zitierte: „Das Rechte erkennen und nicht tun ist Mangel an Mut.“ Damit hat der Grüne dem Volk wiedermal einen intellektuellen Brocken hingeworfen, an dem es ruhig mal eine Zeitlang zu kauen hat. Konfuzius geht eigentlich immer. In den nächsten Tagen könnte Bütikofer zu Jamaika einen anderen Spruch von ihm bringen: „Der Weg ist das Ziel.“ Haben wir schon immer gesagt.