Auch 2016 marschierten die Anhänger einer Legalisierung von Cannabis in Stuttgart. Foto: Lichtgut/Verena Ecker

Der Cannabis Social Club Stuttgart veranstaltet am Samstag den vierten Global Marijuana March in Stuttgart. Der Verein will Cannabis anbauen und an Mitglieder zum Selbstkostenpreis abgeben. Die Polizei warnt.

Stuttgart - Spät, sehr spät erst sei er mit dem Thema in Berührung gekommen. Mit 33 Jahren. Dennis Herberg lacht. „Ich bin kein Problemkonsument“, sagt der 35-Jährige. Aber im Vergleich zu Alkohol halte er Cannabis für die angenehmere Droge.

Ja, Droge. Denn dass Cannabis eine süchtig machende Substanz ist, das leugnet Herberg keineswegs. „Nur: Alkohol ist auch eine Droge, aber eben eine legale“, sagt der Industriemechaniker. Obwohl es etliche Studien gebe, die besagten, dass Alkohol schädlicher sei als Cannabis. Schließlich, so Herberg, stürben jährlich mehr als 70 000 Menschen in Deutschland an den direkten oder indirekten Folgen des Alkoholmissbrauchs.

Die Risiken von Cannabis will Herberg deswegen nicht kleinreden. Die Gefahr von Cannabis indes liege darin, dass der Wirkstoff THC Psychosen auslösen kann. In ganz Deutschland sind hochgerechnet etwa 800 000 bis 1,6 Millionen Menschen von einer Psychose betroffen – doch nur bei einem Bruchteil der Betroffenen sei die Droge der Auslöser.

Die Stadt oder das Land müsste den Antrag für das Modellprojekt stellen

Herberg ist gewappnet, das merkt man schnell: Er hat Argumente und Zahlen gesammelt, die seine Meinung stützen. Und nicht nur seine: Herberg ist Vorsitzender des Cannabis Social Club Stuttgart – und trifft mit einem der Anliegen des Clubs, nämlich Cannabis zu legalisieren, auch auf viel Gegenwind. Den es für Herberg zu entkräften gilt, zumal die Verteidiger von Cannabis oftmals persönliche Repressalien zu befürchten hätten.

Doch eigentlich ist Herberg kein Erbsenzähler. Und er will schon gar keine Drogenkranken oder -toten gegeneinander aufrechnen. „Wir verharmlosen Cannabis nicht, wir wollen aber, dass es besser erforscht wird“, sagt er. Für ein Modellprojekt, das der wissenschaftlichen Forschung dient, würde sich Herbergs Cannabis Social Club gerne selbst anbieten: Denn das Ziel des Clubs, eine Anbaugemeinschaft zu werden, wäre nach der Rechtslage in Deutschland, nur so erreichbar. „Konkret hieße dies: Unsere Mitglieder würden uns den Auftrag erteilen, Cannabis anzubauen, und wir würden es an sie zum Selbstkostenpreis abgeben“, erklärt Herberg, der mit seinem Verein versuchen will, die Parteien von diesem Ansinnen zu überzeugen. „Die Stadt oder das Land müssten für dieses Modellprojekt einen Antrag bei der Bundesopiumstelle einreichen“.

„Cannabis wird nicht mehr nur verteufelt“

So sei, was der Cannabis Social Club mache, oft „ziemlich spießige Vereinsarbeit: Wir sitzen nicht rum, dröhnen uns zu und hören Reggae-Musik“, versichert der Vorsitzende des Clubs. Vielmehr sei das Kiffen in den Geschäftsräumen verboten – „schließlich ist das illegal“. Bei der Lobbyarbeit, die sie betreiben, bläst ihnen gerade derzeit aber nicht nur Gegenwind entgegen, sondern sie bekommen auch viel Rückenwind zu spüren: Im Bürgerhaushalt der Landeshauptstadt hat der Cannabis Social Club es im Jahr 2015 mit seinem Plan auf Platz 15 geschafft, der Bundestag hat im Januar einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der Schwerkranken eine Cannabis-Therapie ermöglicht. Für seine Ziele sehen die Clubmitglieder „bessere Chancen denn je: Cannabis wird nicht mehr nur verteufelt, wir sehen da einen positiven Wandel in der Gesellschaft“.

Auf die Drogenberatungsstelle Release Stuttgart ist der Club früh zugegangen. „Wir haben 2016 angefragt, ob Release Schulungen für ein paar unserer Mitglieder anbieten kann“, sagt Herberg. Man wolle sicherstellen, dass immer jemand die Suchtproblematik im Auge behalte in Hinblick auf die 50 Mitglieder des Clubs. Bernd Klenk, Dienststellenleiter von Release U21, begrüßt, dass „der Verein so frühzeitig auf uns zugekommen ist“. Seit 1971 setze sich Release für die Entkriminalisierung von Drogenkonsumenten ein. „Das ist nicht gleichzusetzen mit einer vollständigen Legalisierung“, so Klenk. Wie der Umgang zu handhaben sei, müsse man sich genau überlegen – eine Möglichkeit sei der Cannabis Social Club, also eine kontrollierte Abgabe von Cannabis.

Cannabis ist keine typische Einstiegsdroge

Den Vorteil sieht Klenk im Verbraucherschutz: „Die Züchtungen könnten dann gezielt wenig THC und viel CBD enthalten“. Cannabidiol (CBD) ist ein kaum psychoaktives Cannabinoid, das entkrampfend, entzündungshemmend, angstlösend und gegen Übelkeit wirkt. Auch wäre es ein Mythos, dass Cannabis eine Einstiegsdroge sei: „Es ist nicht zwingend, dass man andere Drogen probiert, nachdem man Cannabis konsumiert hat“, sagt Klenk. Allerdings sei es ein Einstieg in die Kriminalität: Man überschreite eine Grenze.

Eine Grenze, die der Cannabis Social Club einreißen möchte, etwa aus Gründen des Jugendschutzes und zur Bekämpfung des Schwarzmarkts. Deshalb organisiert er an diesem Samstag den Global Marijuana March, der unter dem Motto „Legalisierung macht Sinn!” bereits zum vierten Mal in Stuttgart stattfindet. Es werden 500 Demonstranten erwartet, die sich um 13 Uhr am Börsenplatz treffen, um dann zum Schlossgarten zu ziehen.

Für die Polizei sei dies ein „alltäglicher Einsatz“, bei dem das Augenmerk darauf gerichtet werde, ob „verbotene Substanzen mitgeführt“ würden, sagt Polizeisprecher Martin Schautz. Nach Einschätzung der Polizei sei Cannabis sehr wohl eine Einstiegsdroge. Schautz: „Sie ist eher als gefährlich als als ungefährlich einzustufen.“