Herrentoiletten dienen eigentlich nur einem einzigen Zweck. Das ändert sich womöglich. Foto: Horst Rudel

Nach Ansicht Stuttgarter SPD ist die Exklusivität von Wickeltischen auf Damentoiletten ein Relikt veralteter Geschlechterrollen. Während ein entsprechender Antrag noch aussteht, erntet die Idee in sozialen Netzwerken bereits Zuspruch.

Stuttgart - Papa arbeitet, Mama hütet die Kinder. Nach Ansicht des SPD-Stadtrats und Kreisvorsitzenden Dejan Perc ist diese Rollenverteilung nicht mehr zeitgemäß. Darum hat er jetzt den Vorstoß seiner Kölner Parteigenossen aufgegriffen, künftig auch in öffentlichen Herrentoiletten in Stuttgart Wickeltische einzurichten, was bis jetzt den Damentoiletten vorbehalten war. „In Zeiten, in denen Elternzeiten von beiden Elternteilen genommen werden, liegt das doch nahe“, sagt Perc.

Der Gedanke erhält in sozialen Netzwerken viel Zuspruch. In der Kommentarspalte auf Facebook, wo Perc die Idee verbreitet hat, wird deutlich, dass er mit seiner Einschätzung durchaus recht hat: Väter, die mit ihrem Baby unterwegs sind, haben ein Aber, Frauentoiletten zum Wickeln ihrer Kinder aufzusuchen. „Umgekehrt wäre es wahrscheinlich nicht anders“, sagt Perc.

Ein entsprechender Antrag, der besagt, öffentliche Herrentoiletten mit Wickeltischen auszustatten, könnte bereits an diesem Donnerstag formuliert werden. Dann hält die SPD nämlich eine Fraktionssitzung ab. Und dank der Kölner Kollegen ist ein vergleichbarer Antrag bereits vorgelegt worden.

70 Toiletten müssten umgebaut werden

Doch wie hoch sind die Erfolgschancen in Stuttgart? Dejan Perc ist optimistisch. Denn unter den Facebook-Kommentatoren befindet sich auch Anna Depernay-Grunenberg, die Fraktionschefin der Grünen im Stuttgarter Gemeinderat. Sie schreibt: „Ganz persönliche Meinung: Pissoirs weg, Wickeltisch hin.“ Wenn sie ihre Fraktion davon überzeugt, hätte der Antrag zusammen mit den SPD-Ratsmitgliedern schon fast die nötige Hälfte der Stimmen im Rathaus zusammen.

Doch bevor zur Tat geschritten werden kann, muss zunächst die Verwaltung die Machbarkeit des Unterfangens prüfen – und natürlich auch die Kostenfrage klären. Diese ist noch völlig unklar. „Im gesamten Stadtgebiet gibt es rund 70 öffentliche Toilette“, sagt Ann-Kathrin Gehrung, eine Sprecherin der Stadt Stuttgart. Diese teilen sich auf in 27 Säulen- und Automatikanlagen sowie 44 konventionell betriebenen Toilettenanlagen.

Ein Blick nach New York zeigt, dass die Idee zumindest prinzipiell umsetzbar ist. Seit Januar diesen Jahres sind dort Wickeltische in öffentlichen Herrentoiletten Pflicht. Bis Juli soll jede New Yorker Herrentoilette über einen Wickeltisch verfügen.

Im 21. Jahrhundert wechseln Männer Windeln

Verantwortlich dafür ist New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio. Der Demokrat soll Medienberichten zufolge aus eigenen Erfahrungen gehandelt haben: Der zweifache Vater habe selbst in einem Notfall versucht, eines seiner Kinder auf der Motorhaube des Familienwagens zu wickeln.

Den Grundstein für Neuausrichtung der Herrentoilette hatte übrigens der damalige Präsident Barrack Obama gelegt: 2016 verfügte er, dass in allen öffentlich zugänglichen Bundesgebäuden für alle zugängliche Wickeltische vorsieht.

„Wir schreiben das 21. Jahrhundert, und Männer wechseln Windeln“, kommentierte de Blasio den nächsten Schritt. Ob Stuttgart diesen Satz unterschreibt? Das wird der Gemeinderat womöglich schon bald klären.