Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) will vor Gericht um ihren Doktortitel kämpfen. Foto: dpa

Aus den Reihen der Wissenschaft werden Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Annette Schavan (CDU) als Bundesbildungsministerin laut.

Berlin - Nach der Aberkennung ihres Doktortitels werden aus der Wissenschaft Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Annette Schavan (CDU) als Bundesbildungsministerin laut.

Der Rücktritt der Ministerin wäre "möglicherweise doch die richtige Konsequenz", sagte am Donnerstag der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Prof. Bernhard Kempen.

Einzelne Professoren wie der Präsident der Humboldt-Uni Berlin, Jan-Hendrik Olbertz, übten aber auch Kritik an der Entscheidung der Uni Düsseldorf, Schavan den Doktortitel abzuerkennen. Die Ministerin ist noch bis zu diesem Freitag in Afrika. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will erst nach ihrer Rückkehr nach Deutschland mit Schavan über deren Zukunft sprechen.

Der Bonner Parteienforscher Gerd Langguth sagte, Schavan befinde sich in einer "Glaubwürdigkeitsfalle". "Sie hat nicht in dem Ausmaß wie der frühere Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg plagiiert. Der Fall holt sie jetzt aber ein", sagte Langguth den Dortmunder "Ruhr Nachrichten". "Die beschädigte Glaubwürdigkeit ist ein großes Problem, auch für die Kanzlerin." Diese werde nun abwarten, wie sich die Debatte entwickle. "Es ist möglich, dass sie dann ihre Vertraute, Frau Schavan, bitten wird, zurückzutreten."

Verfahren könnte ein halbes bis ein dreiviertel Jahr dauern

Kempen sagte im ZDF-"Heute Journal", für ihn sei es nur schwer vorstellbar, dass die Ministerin ihr Amt weiter effektiv ausüben könne. Der Anwalt für Hochschulrecht, Christian Birnbaum, sagte im ZDF-"Morgenmagazin", er könne sich an keinen einzigen Fall erinnern, in dem jemand einen aberkannten Doktortitel durch ein Gerichtsverfahren wiederbekommen habe. Der Jurist geht davon aus, dass das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf ein halbes bis ein dreiviertel Jahr dauern wird.

Unterstützung bekam Schavan vom Präsidenten der Berliner Humboldt-Uni, Olbertz, der Schavan derzeit auf ihrer Reise begleitet. Olbertz sagte dem "Focus": "Vom Verfahren her ist die Entscheidung der Uni Düsseldorf anzuzweifeln. Die Bewertung der fraglichen Textpassagen hatte nicht die nötige Tiefe." Der Präsident der Humboldt-Stiftung, Helmut Schwarz, betonte: "Eine Ministerin muss man nach ihrer Kompetenz und Leistung beurteilen. In dieser Hinsicht gibt es keinen Grund zum Rücktritt."

Politikwissenschaftler: Promotionen werden in Deutschland nur schwach betreut

Der Dresdner Politikwissenschaftler Prof. Werner Patzelt hielt Schavan zugute, "dass sogar Kapitalverbrechen nach 25, 30 Jahren verjähren". Im Vergleich dazu seien Plagiate in wissenschaftlichen Arbeiten, in die ohnehin kaum jemand hineinblicke, nicht so schwerwiegend, sagte er dem Radiosender MDR Jump. Es sei eine deutsche Besonderheit, dass viele Promotionen nur sehr schwach betreut würden, erläuterte der Vizepräsident des Deutschen Hochschulverbandes, der Münchner Physikprofessor Ulrich Schollwöck, im Deutschlandradio Kultur.

Die Uni Düsseldorf hatte der 57-Jährigen Schavan am Dienstag nach neun Monaten Prüfung wegen "vorsätzlicher Täuschung" in ihrer Promotionsarbeit den vor 33 Jahren erworbenen Doktortitel entzogen. Schavan hat Klage gegen diese Entscheidung angekündigt.