Glatte Straßen haben am Mittwochmorgen im ganzen Kreis Ludwigsburg für Chaos gesorgt. Es gab hunderte Unfälle, Schulen und der ÖPNV fielen vielerorts aus. Die Einsatzkräfte und das Personal in den Krankenhäusern hatten alle Hände voll zu tun.
Wer sich am Mittwochmorgen aus dem Haus getraut hat, merkte schnell: Da geht heute nicht viel. Blitzeis verwandelte die Straßen auch im Kreis Ludwigsburg in eine spiegelglatte Rutschbahn und legte so nicht nur den Verkehr lahm. Busse kamen vielerorts nicht vom Fleck, Schulen appellierten an Eltern, ihre Kinder nur auf gesicherten Wegen zur Schule zu schicken. Teilweise fiel der Unterricht in den ersten Stunden auch komplett aus. Selbst Streufahrzeuge scheiterten teilweise an der spiegelglatten Fahrbahn.
Bei der Polizei stand das Telefon nicht still, im Minutentakt gingen Meldungen ein. „Von 4.30 bis 12 Uhr haben wir im Landkreis Ludwigsburg und im Landkreis Böblingen, unseren beiden Zuständigkeitsbereichen, 416 Unfälle gezählt“, vermeldet Steffen Grabenstein, Sprecher des Polizeipräsidiums Ludwigsburg. Böblingen sei allerdings so gut wie gar nicht betroffen, es sei fast nur im Kreis Ludwigsburg zu Zusammenstößen gekommen.
A81-Anschlüsse zeitweise gesperrt
Zeitweise seien die Anschlussstellen Ludwigsburg-Nord und -Süd gesperrt gewesen. „Langsam läuft der Verkehr auf der A81 aber wieder an“, sagt Grabenstein am Vormittag. „Überwiegend ist es bei Blechschäden geblieben.“ Auch wenn die meisten Unfälle glimpflich ausgingen, wurden insgesamt 22 Personen leicht verletzt. Zwei Personen erlitten schwere Verletzungen.
Vielen Fußgängern wurde die Wetterlage zum Verhängnis. Im gesamten Landkreis wurden zahlreiche Notfälle gemeldet, was dazu führte, dass die MANV-Stufe 50 (Massenanfall von 50 Verletzten) ausgerufen wurde. Rettungskräfte, Feuerwehr, Bevölkerungsschutz sowie eine Führungsgruppe aus leitendem Notarzt, Kreisbrandmeister, Fachberater Bevölkerungsschutz und Organisatorischem Leiter Rettungsdienst arbeiteten Hand in Hand, um die Vielzahl von Einsätzen zu koordinieren. Besonders betroffen waren hierbei die Regionen Bietigheim-Bissingen und Vaihingen an der Enz.
Die Notaufnahmen in den Kliniken im Kreis waren am Vormittag gut beschäftigt. „Das ist das heftigste Blitzeis, das ich in den letzten zehn Jahren erlebt habe“, sagt Oberarzt Martin Schweiker, der das Geschehen im Bietigheimer Krankenhaus koordinierte. Im RKH Krankenhaus Bietigheim-Vaihingen waren am späten Vormittag 38 Patienten in der Unfallaufnahme in Behandlung, im RKH Klinikum Ludwigsburg sogar 80.
Die Bandbreite der Verletzungen reiche von Prellungen über Frakturen bis zum Polytrauma, wegen Stürzen mit Verletzung des Schädels. Betroffen seien dabei alle Gelenke: Hände, Ellbogen, Schulter und Schädel. Trotz des Blitzeises habe es allerdings keine nennenswerte Personalausfälle gegeben.
Steile Straßen für Busse unpassierbar
Auch für den Öffentlichen Nahverkehr war das Glatteis eine Herausforderung. „Es kam zu erheblichen Einschränkungen zu den Hauptverkehrszeiten“, sagt Tobias Hähnle vom Bietigheimer Busunternehmen Spillmann. Erst gegen 10 Uhr konnte der Betrieb auf den meisten Linien wieder anlaufen.
Unfälle mit Streufahrzeugen
Die Straßenmeistereien im Kreis begannen Dienstagabend mit den Vorbereitungen und waren seit 3 Uhr im Einsatz. Präventives Streuen auf den Bundes-, Landes- und Kreisstraßen außerhalb der Ortschaften trug entscheidend zur Verkehrssicherheit bei. Schwierigkeiten bereiteten die Steilstrecken in Bietigheim-Bissingen, aber auch die Bahnhofstraße und Ludwigsburger Straße, die aufgrund quer stehender Fahrzeuge kaum befahrbar waren. „Im Neuwengert konnte selbst der Rettungsdienst nicht durchkommen, hier musste extra eine Mannschaft anrücken und von Hand streuen, bis das Rettungsteam wieder fahrbereit war“, so Anette Hochmuth von der Pressestelle in Bietigheim-Bissingen.
Mancherorts kam selbst der Streudienst an seine Grenzen. Drei Unfälle mit Streufahrzeugen vermeldet der Bauhof in Marbach. „Bei uns kam es nur zu Blechschäden“, sagt Julian Grob vom Bauhof. „Wir rutschen selbst und müssen teilweise von Hand vor unseren Fahrzeugen streuen.“ Auch er spricht von einer Ausnahmesituation. „Es ist sehr speziell, so krass wie heute ist es selten.“
Unterrichtsausfall an den Schulen
Am Friedrich-Schiller-Gymnasium in Marbach, fiel der Unterricht in den ersten beiden Stunden aus. Schulleiter Volker Müller hatte die Schüler, die es mit der S-Bahn, zu Fuß oder mit Elterntaxis in die Schule geschafft hatten, über Lautsprecher informiert. „Wir müssen jetzt auf Sicht fahren und hoffen, dass der Betrieb zur dritten Stunde einigermaßen normal laufen kann“, so Müller. „Ich hoffe, dass sich die Lage bis dahin entspannt und die Busse wieder fahren.“ Auch das Lichtenstern-Gymnasium in Sachsenheim und die Ellentalgymnasien in Bietigheim teilten über ihre Homepages mit, dass der Unterricht frühestens zur dritten Stunde beginne.
Bis dahin, so die Rückmeldungen, haben es dann wohl auch die Mehrheit der Lehrkräfte zur den Schulen geschafft. Allerdings gehe Sicherheit vor. „Wer es nicht schafft, der bleibt heute zu Hause“, so der Tenor der Schulleitungen. Auf dem Schulgelände in Marbach konnte man sich dank der Arbeit des Hausmeisterteams gefahrlos bewegen. „Das sind für mich heute die wahren Helden. Sie haben schon um 5 Uhr begonnen, das Gelände sicher zu machen“, so Müller.
Berufliche Schule sagt Nachmittagsunterricht ab
An der Erich-Bracher-Schule in Pattonville schafften es viele Lehrer und Schüler nicht zum Unterricht, so Sekretärin Sandra Angas: „Für den Nachmittag haben wir den Unterricht nun ganz abgesagt. Es soll wohl noch mal glatt werden.“
Streupflicht in Extremsituationen
Glatte Gehwege
Am Morgen waren zahlreiche Fußgänger auf den Straßen unterwegs, da die Gehwege, im Gegensatz zu den Hauptverkehrsstraßen, teilweise nicht gestreut waren. So mancher Hausbesitzer dürfte sich zweimal überlegt haben, ob er einen Fuß vor die Tür setzen und sich selbst der Gefahr aussetzen soll, ins Rutschen zu kommen.
Streupflicht
Der Marbacher Ordnungsamtsleiter Andreas Seiberling macht aber klar, dass die Streupflicht auch bei solchen Extremereignissen grundsätzlich greife. „Man kann sich mit dem Split ja langsam vorantasten“, erklärt er. Außerdem sei im Vorfeld von den Wetterdiensten vor dem Blitzeis gewarnt worden, man hätte sich also auf die Situation einstellen können und Streumaterial von Garage oder Schuppen ins Haus umlagern können.