Behutsam tupft Ulrike Langbein etwas Sternenstaub auf die ihre Christbaumkugel. Foto: Jürgen Bach

Sterne aus Goldglitzer, winterliche Tannenwälder, eine Dorfkirche mit Fachwerkhäusern: Ulrike Langbein aus Rutesheim verkauft handbemalte Christbaumkugeln an ihrem Marktstand – und hat dieses Jahr keine Einnahmen wegen Corona.

Rutesheim - Den nächsten Urlaub kann Ulrike Langbein streichen, und zwar nicht deswegen, weil sie zu viel Arbeit hat, sondern zu wenig. Sie kann dieses Jahr keine von ihren 500 in liebevoller Handarbeit gefertigten Glaskunstwerke auf den Weihnachtsmärkten verkaufen. Mit diesen Einnahmen wäre sie sonst in den Süden gefahren.

Die Rutesheimerin Ulrike Langbein hat das künstlerische Talent von ihrem Vater geerbt, der ein begabter Landschaftsmaler war. Doch lange ließ sie ihr Talent brach liegen. Erst mit 40 Jahren, brachte sie es zum Vorschein, als sie die Bekanntschaft eines Glasbläsers aus dem bayerischen Wald machte. Sie beschloss, seine Rohlinge künstlerisch zu verzieren. Schon das Glas ist etwas Besonderes: Das Jenaer Glas ist feuerfest und bricht nicht so leicht, und deswegen kann man auch Teelichter hineinstellen, ohne dass die Kugel Schaden nimmt.

Die Märkte fehlen Ulrike Langbein, trotz der vielen Arbeit

Auf dem Tisch im Wohnzimmer hat sie ihre Malerutensilien ausgebreitet: Mit dabei sind auch eine Zahnbürste und ein Brieföffner. „Man kann mit allem malen“, sagt sie: Mit dem Brieföffner eine Linie in die Farbe ziehen, mit der Zahnbürste wolkige Muster aufs Glas tupfen.

Dass ihr die Weihnachtsmärkte fehlen würden, hat sie erst so richtig begriffen, als es sie auf einmal nicht mehr gab. Nicht nur bei ihren beiden Klassikern Sindelfingen und Rutesheim kam sie nicht zum Zug, sondern auch Tübingen nicht. Dort wurde zwar ein Markt abgehalten, doch bei der enormen Masse an Marktbeschickern musste das Los entscheiden. Es entschied gegen sie.

Marktbeschicken muss man mögen, denn das bedeutet lange Arbeitstage. Man muss in aller Herrgottsfrühe raus, anfahren, den Stand aufbauen und schmücken. Man muss der Kälte trotzen, die von unten in die Beine kriecht, weil immer mehr Märkte die Gasheizungen aus Sicherheitsgründen verbieten. Man muss die Waren hübsch anordnen und vor allem – man muss verkaufen. Wer verhutzelt im Häuschen am Handy hockt, der dürfte etwas weniger gute Geschäfte machen, als jemand, der offen auf die Leute zugeht, um seine Waren zu offerieren. Letzteres ist eine Mischung aus Psychologie und Beredsamkeit. Ulrike Langbein etwa bietet ihre Christbaumkugeln an als einen Schmuck, der allein in Deutschland hergestellt ist und den es nirgendwo sonst gibt, und der am Christbaum genauso gut aussieht wie an der Fensterscheibe.

Die goldenen Sterne sind auch das Motiv fürs nächste Jahr

Ein Vorteil ist, dass die 62-Jährige am Stand nicht allein ist. Sie arbeitet mit ihrem Mann Uwe zusammen, der Weihnachtskrippen baut und verkauft. Die beiden wollen das noch viele Jahre machen, nur könnte es sein, dass ihr 81 Jahre alter Glasbläser irgendwann aufhört, und dann wird auch sie sich zur Ruhe setzen.

Langbeins Motive sind schön und gefällig: Sterne aus Goldglitzer, die feinen Goldstaub streuen, wenn man sie behaucht, winterliche Tannenwälder, eine Dorfkirche mit Fachwerkhäusern, ein Baum, dessen Äste Wellenbewegungen zu machen scheinen. All das wohl, was die Menschen mit der Weihnacht verbinden. Jedes Jahr denkt sie sich ein neues Motiv aus: In diesem Jahre waren es ineinander übergehende Sterne. Ihre neue Kollektion würde kaum Käufer finden, wenn ihr Sohn nicht einen Internet-Verkauf eingerichtet hätte, den man unter „Ulrike Langbein, Kugelträume“ bei Facebook findet und den man durchstöbern kann.

Die Frage, welches Motiv sie im nächsten Jahr anbietet, erübrigt sich: Es werden die goldenen Sterne sein, die in diesem Jahr nicht an den Mann gekommen sind.