Tanja Gönner hat mehrere Ministerien in Baden-Württemberg geleitet, bevor sie zur GIZ wechselte. Foto: dpa

GIZ-Vorstandssprecherin Tanja Gönner lehnt es ab, Ländern die Entwicklungshilfe zu kürzen, die straffällige Flüchtlinge nicht rasch zurücknehmen. Wichtiger sei es, sich auf Augenhöhe zu begegnen, plädiert die frühere Ministerin.

Stuttgart - Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist Dienstleister der Bundesregierung für die Entwicklungsarbeit. Damit ist sie mitverantwortlich für die Bekämpfung von Fluchtursachen, wie Vorstandssprecherin Tanja Gönner schildert.

Frau Gönner, die Politik debattiert über die Rolle der Entwicklungshilfe bei der Bekämpfung von Fluchtursachen. Kann Entwicklungshilfe diese Aufgabe erfüllen?
Die Erwartung an unsere Arbeit, die wir für die Bundesregierung umsetzen, hat enorm zugenommen. Sie kann sicher zur Bekämpfung der Fluchtursachen beitragen, das ist aber nicht die einzige Aufgabe. Zudem kommt es sehr auf das jeweilige Land an. Die Lage in Afrika ist eine völlig andere als etwa in Syrien und Irak. Dort herrschen kriegerische Konflikte, die zur Flucht geführt haben. Besonders der Nordirak versorgt derzeit rund 250 000 syrische Flüchtlinge und eine weitere Million Binnenflüchtlinge. Dort müssen wir Hilfe leisten, damit die Region stabil bleibt und es nicht zu neuen Fluchbewegungen kommt.
Bräuchte es in Syrien und Irak nicht zunächst Frieden und Stabilität, um Fluchtursachen bekämpfen zu können?
Es ist Teil unserer Arbeit, beim Übergang zur Stabilität zu helfen. Ziel ist es, dass die Menschen die Möglichkeit haben, in der Nähe ihrer Heimat zu bleiben. Im speziellen Fall von Syrien geht es um Nachbarstaaten wie Jordanien, das mehr als 700 000 syrische Flüchtlinge aufgenommen hat. Es ist mit unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Flüchtlinge und Einheimische dort eine Lebensperspektive haben. Wir unterstützen daher Ausbildungs- und Arbeitsprogramme. Sie richten sich an syrische Flüchtlinge genauso wie an die Jordanier.
Seit dem Fall des islamistischen Berliner Attentäters Anis Amri, der aus Tunesien stammte, gibt es eine Debatte darüber, ob man Ländern die Entwicklungshilfe kürzt, wenn sie ihre straffällig gewordenen Staatsbürger nicht zurücknehmen. Ist ein solches Sanktionsinstrument wirksam?
Unsere Erfahrung lehrt, dass es sich immer lohnt, den partnerschaftlichen Ansatz zu verfolgen. Wir haben es mit Partnern zu tun, mit denen man stärker über die Zusammenhänge von Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik ins Gespräch kommt. Wir sprechen bewusst von Entwicklungszusammenarbeit. Darin kommt zum Ausdruck, dass sich beide Seiten auf Augenhöhe begegnen und sich gegenseitig brauchen. Ich habe zudem den Eindruck, dass die Kürzung von Entwicklungsgeldern die Lage verschlechtern könnte.
Inwiefern?
In Tunesien etwa arbeiten wir stark in der Wirtschaftsentwicklung und Beschäftigungsförderung. Wir haben einer halben Million Menschen im Nahen Osten und Maghreb zu einer Beschäftigung verholfen. Wenn wir das streichen, nehmen wir den Menschen Perspektiven. Wir verschlimmern somit etwas, das wir eigentlich bekämpfen wollen.