Nordkoreas Machthaber Foto: Ministry of Communications

Bis vor kurzem beschimpften sie sich gegenseitig und drohten mit Atombomben-Angriffen, nun bildet Singapur die Kulisse für eine historische Begegnung: Der US-Präsident Donald Trump trifft Nordkoreas Diktator Kim Jong Un.

Singapur - Er herrscht seit 2011 über 26 Millionen Nordkoreaner und war jahrelang in der Schweiz zur Schule gegangen. Doch kaum war der 34-jährige Kim Jong Un am Sonntag im Stadtstaat Singapur angekommen, machte der Erbe einer sechs Jahrzehnte alten Familiendynastie deutlich, wie ungewohnt für ihn ein Auftritt in der Weltöffentlichkeit ist. Singapurs Premier Lee Hsien Loong musste Kim in seinem Regierungssitz Istana sprichwörtlich stoppen, als Nordkoreas Diktator forschen Schritts in den Räumen des Gebäudes verschwinden wollte. „Erst Händeschütteln für die Weltöffentlichkeit“, schien Singapurs Premier zu sagen. Kim nickte, drehte sich zur Seite und lächelte ins Blitzlichtgewitter der Fotografen.

Der Weg aus der Isolierung, den Nordkorea offenbar nach fast sieben Jahrzehnten gehen will, dürfte ebenso mit Stolpersteinen übersät sein wie das ungewohnte diplomatische Parkett, auf dem sich Kim plötzlich bewegt. Drei Flugzeuge waren in Pjöngjang nahezu gleichzeitig gestartet, als sich der Alleinherrscher auf den Weg nach Singapur machte.

Kaum war eine der Maschinen – eine in China ausgeliehene Boeing 747 – gelandet, verstieß Kim gegen ein Gesetz des Landes. Kim ließ sich in einer Limousine hinter verdunkelten Scheiben ins Hotel kutschieren. Dabei verbieten die Gesetze des Stadtstaats Singapur, der für seine Ordnungsliebe bekannt ist, solche Sichtblenden. Zumindest konnte sich der Diktator, der nach seiner Machtübernahme unter anderem einen Onkel hinrichten ließ und kürzlich die drei wichtigsten Generäle seiner Volksarmee feuerte, nach der Ankunft im luxuriösen Saint-Regis-Hotel ausgiebig an westlicher Kunst erfreuen, die in seiner Heimat als dekadent verpönt ist. In der Präsidentschaftssuite hängen Zeichnungen des berühmten Malers Marc Chagall. Das Hotel ist zudem stolz auf einen Picasso in seinen Hallen.

US-Außenminister Pompeo ist optimistisch

Gemessen an solchen Kunstwerken im Hotel nächtigt US-Präsident Donald Trump relativ bescheiden. Er musste in seiner Suite im Shangri-La-Hotel gar mit dem Bett vorliebnehmen, in dem vor Jahren der von Trump verabscheute Vorgänger Barack Obama nächtigte. „Excitement in the air“ („Aufregung in der Luft“) lautete die Nachricht, die der US-Präsident vor seiner Nachtruhe per Twitter verbreitete. Es war die erste Nachricht in einem gelassenen, wenn nicht gar hoffnungsvollen Ton des Staatsoberhaupts aus Washington. Nun studieren die mehr als 2500 Journalisten, die zu dem historischen Gipfel zwischen dem Diktator und dem Präsidenten in Singapur angereist sind, jedes Mienenspiel des US-Staatsoberhaupts. Ein Treffen der Unberechenbaren, nennen politische Beobachter den Gipfel.

„Kim hat genau eine Chance auf Frieden“, hatte der US-Präsident in seiner Heimat verkündet und Kim einen harten Test angekündigt. „Ich brauche genau fünf Sekunden, um herauszufinden, ob jemand ernsthaft einen Deal will“, sprach der Präsident. Am Dienstag, 9 Uhr morgens Ortszeit (3 Uhr morgens in Europa) wird sich zeigen, ob er recht hat.

Einen positiven Ausblick hatte US-Außenminister Mike Pompeo schon zuvor gewagt: Die Gespräche zwischen den Delegationen Nordkoreas und der USA vor dem Treffen seien aus US-Sicht besser als erwartet gelaufen. „Wir erwarten, dass die Gespräche zu einem logischen Ergebnis kommen, schneller, als wir erwartet hatten“, sagte der US-Außenminister. Er kündigte an, Nordkorea werde in den Gesprächen besondere Sicherheiten angeboten bekommen. Eine atomare Abrüstung solle für Nordkorea kein Sicherheitsrisiko sein, sondern das Gegenteil. Die USA wollen einen „kompletten, überprüfbaren und unumkehrbaren“ Abbau des nordkoreanischen Atomprogramms – und alles möglichst bald.