Die überlangen Lastwagen könnten bald öfter auf den deutschen Autobahnen und ihren Zubringerstrecken unterwegs sein. Foto: dpa

Verkehrsminister Dobrindt hat den unbefristeten Regelbetrieb von drei Gigaliner-Typen erlaubt. Darüber gibt es aber bereits Streit in der Bundesregierung, denn im Bericht über die Testphase werden die Probleme eher versteckt.

Berlin - Schon bald könnten auf deutschen Autobahnen und Zubringern bis zu 25,25 Meter lange Riesenlaster häufiger unterwegs sein. Zum Jahreswechsel hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) per Verordnung den unbefristeten Regelbetrieb von drei der fünf Fahrzeugtypen erlaubt. Der fünfjährige Feldversuch, der Anfang 2012 begann und vor allem von CDU und CSU durchgesetzt wurde, brachte nach Ansicht der Befürworter rundum positive Ergebnisse. Auch hätten sich „keinerlei Sicherheitsrisiken ergeben“, behauptet der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), die Lobby der Lkw-Spediteure. Die Entscheidung von Dobrindt sorgt unterdessen auch bereits für Streit in der Bundesregierung. Diese sei innerhalb der Regierung nicht abgestimmt gewesen und außerdem eine schwerwiegende umwelt- und verkehrspolitische Fehlentscheidung“, kritisierte Jochen Flasbarth, Staatssekretär im von der SPD-geführten Umweltministerium.

Dobrindts Interpretation ist allerdings eine recht einseitige Auslegung des Abschlussberichts, den die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) mittlerweile veröffentlicht hat. Auf 172 Seiten zieht die nachgeordnete Behörde, die Minister Dobrindt unterstellt ist, zwar das politisch gewünschte positive Fazit zum Feldversuch. Der Wert der Expertise steht indes für Kritiker schon deshalb in Frage, weil sich zuletzt gerade mal 60 Unternehmen mit nur 161 Fahrzeugen am Test beteiligt haben.

Probleme werden im Bericht über die Tests eher versteckt

Eine Auswertung des Berichts zeigt: Die kritischen Aussagen sind auffällig kurz gehalten und die 15 Autoren sind ebenso auffällig bemüht, heikle Ergebnisse zu relativieren. So kam es trotz der geringen Zahl der Riesenlaster immerhin zu 13 Unfällen und elf „besonderen Vorkommnissen“, darunter Alkohol am Steuer, Überschreitung der Lenkzeiten und Tempolimits sowie Fahrten außerhalb des für Lang-Lkw erlaubten Straßennetzes von rund 11 600 Kilometern. Ein Lang-Lkw fuhr demnach unerlaubt innerorts und hatte prompt einen Unfall.

Interessanterweise räumen die Autoren selbst ein, dass angesichts der bisher geringen Zahl von Riesenlastern „keine belastbaren Erkenntnisse zum Unfallrisiko“ vom Feldversuch zu erwarten waren. Das sehen Kritiker wie Stephan Kühn ebenso. Der Sprecher der Grünen für Verkehrspolitik im Bundestag wirft Dobrindt vor, den Regelbetrieb der Lang-Lkw kurz vor Jahresende am Parlament vorbei durchgedrückt zu haben. Dabei ignoriere der Minister Sicherheitsbedenken und verschweige zusätzliche Infrastrukturkosten, die für die Lang-Lkw anfallen.

Tatsächlich finden sich auch im BASt-Abschlussbericht sehr alarmierende Aussagen, allerdings nur nach längerem Suchen. So warnen Dobrindts Experten auf Seite 146 unten explizit davor, dass die längsten Riesenlaster überhaupt nicht in die Nothaltebuchten in Tunneln passen. Stattdessen ragt ihr Ende fast zwei Meter in die rechte Fahrspur hinein, woraus „erhebliche Beeinträchtigungen des fließenden Verkehrs resultieren“ könnten, so die Behörde an anderer Stelle. Einfacher gesagt: Das Unfallrisiko für alle steigt erheblich, wenn Riesenlaster in einem Tunnel eine Panne haben.

Grüne: Auf Autobahnparkplätzen wird es noch enger

Damit würden alle Sicherheitsbedenken beim Einsatz von Lang-Lkw auf Tunnelstrecken bestätigt, kritisiert Kühn. Zudem vergrößerten die 25-Meter-Laster die Probleme auf den ohnehin überlasteten Autobahn-Parkplätzen. Denn dort passen die meisten Riesen auch nicht in die vorhandenen Schräg-Stellplätze, weil sie zu lang sind und der Abstand zum Einparken nicht ausreicht, wie die BASt einräumt. Die Behörde hält gleichwohl auch dieses Problem für „beherrschbar“ und schlägt vor, das Abstellen auf privaten Autohöfen als Option zu prüfen.

Bei Kritikern lösen solch lapidare Aussagen einigen Missmut aus. „Die Kosten für die Schaffung zusätzlicher Stellplätze verschweigt Dobrindt“, ärgert sich Kühn. Andere Fachleute erinnern daran, dass viele Lkw-Parkplätze an Autobahnen unlängst ohnehin bereits teuer für den weiter wachsenden Straßengüterverkehr ausgebaut wurden. Bei der Schaffung eines praxistauglichen Schienennetzes für längere umweltschonende Güterzüge komme die Bundesregierung dagegen seit Jahren kaum voran. Nicht einmal die erlaubten 740-Meter-Züge, die locker 50 Lkw ersetzen, können bisher wegen Engpässen und fehlenden Ausweichmöglichkeiten überall fahren.

Baden-Württemberg will Erlaubnis auf ein Jahr befristen

Bei Experten, die mehr Güter auf die Schiene bringen wollen, bleibt daher die Skepsis groß. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann hat Dobrindt aufgefordert, die Ausnahmegenehmigungen für die meisten Riesenlaster auf nur ein weiteres Jahr zu befristen. Denn zunächst brauche man Zeit, den Abschlussbericht zu bewerten. Für die Zulassung im Regelbetrieb sei Voraussetzung, dass die Vorteile der Lang-Lkw überwiegen und der kombinierte Verkehr Bahn/Lkw gestärkt werde, betont die Landesregierung.

Auch in Thüringen, wo die Linkspartei mit Bodo Ramelow den Regierungschef stellt, hält die Kritik an. Man hätte sich gewünscht, dass Dobrindt mit dem Startsignal gewartet hätte, bis die Länder den Abschlussbericht vorliegen und bewertet haben, heißt es in Erfurt. Gleichwohl bröckelt die einstige Front gegen die Lang-Lkw weiter. Nur noch Berlin und das Saarland verweigern allen Riesenlastern die Fahrt, Rheinland-Pfalz dagegen will nun auch Strecken freigeben.

Noch komplizierter es, weil es fünf Typen von Lang-Lkw gibt. Typ 1, der verlängerte Sattelanhänger, ist ein Sonderfall. Diese „Eurotrailer“ sind nur 17,80 Meter lang, bringen aber bereits beachtliche Effizienzgewinne. In rund der Hälfte der Bundesländer sind sie schon im Einsatz, auch das ansonsten skeptische und SPD-regierte Nordrhein-Westfalen hat diesen Typ erlaubt, Sachsen-Anhalt will es künftig tun. Und auch Baden-Württemberg hat nichts dagegen, dass die Fahrerlaubnis für diese Sattelanhänger um sieben Jahre verlängert wird, wie es Dobrindt verfügt hat.