In Baden-Baden ist giftiger seinerzeit Löschschaum eingesetzt worden, der seit 2011 verboten ist. Foto: dpa

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Reformwaren-Großhändler eine Entschädigung erhält.

Karlsruhe - Nach mehr als acht Jahren ist höchstrichterlich geklärt, wer für die Schäden aufkommen muss, die bei einem Großbrand im Jahr 2010 durch den Einsatz von giftigem Löschschaum entstanden. Haften muss dafür die Stadt Baden-Baden und das Versicherungsunternehmen der Kommune, nicht aber ein betroffener Großhändler, dessen Grundstück verseucht worden war. Am Donnerstag beendete der Bundesgerichtshof (BGH) mit einer entsprechenden Entscheidung den Rechtsstreit. Es geht um Sanierungskosten von rund zwei Millionen Euro.

Überraschend klar war das Urteil (Az.: III ZR 54/17) des dritten Zivilsenats des BGH unter Vorsitz des Richters Ulrich Hermann. Bei dem Großbrand im Februar 2010 war nahezu der komplette Lagerbestand eines Reformwaren-Großhandels zerstört worden. Der Gesamtschaden wurde mit mehr als zehn Millionen Euro beziffert. Bei dem Brand, vermutlich die Folge einer Brandstiftung, hatte der Einsatzleiter der Baden-Badener Berufsfeuerwehr den Einsatz von Perfluoroctansulfat(PFOS)-haltigem Löschschaum angeordnet, um ein Übergreifen des Feuers auf Nachbargebäude zu verhindern. Fast 8000 Liter des Löschschaums kamen zum Einsatz, später musste deshalb großflächig verseuchter Boden abgetragen und erneuert werden.

Die Gerichte sind sich einig: die Stadt muss zahlen

Bereits in zwei vorangegangenen Prozessen war der Klage recht gegeben worden – mit Urteilen des Landgerichts in Baden-Baden im Jahr 2014 und einer Entscheidung des Karlsruher Oberlandesgerichts im Januar des vergangenen Jahres. Der BGH-Richter Hermann bestätigte nun das OLG-Urteil, wonach der Einsatz des giftigen Löschschaums „fehlerhaft“ gewesen sei. Der Wirkstoff PFOS war einst gedacht zur Löschung von Bränden auf Flugzeugträgern oder brennenden Ölteppichen im Meer. Die Baden-Badener Feuerwehr hatte ihn eher zufällig auf Lager: Ein Chemieunternehmen in der Nähe des Flughafens Baden-Airpark habe ihn loshaben wollen und der Feuerwehr geschenkt, versicherte ein Prozessbeobachter.

Bestandteile des Löschschaums, der wegen des Inhaltsstoffes PFOS bereits seit Ende 2006 nicht mehr in den Verkehr gebracht und nur noch bis zur Mitte des Jahres 2011 aufgebraucht werden durfte, gelangten in den Boden des Brandgrundstücks und in das Grundwasser. Die Umwelt- und Gewerbeaufsicht der Stadt Baden-Baden verpflichtete das Unternehmen Claus Reformwaren als Eigentümerin des Grundstücks zu umfangreichen Sanierungsmaßnahmen.

Das Unternehmen wehrte sich – mit Erfolg

Die seit mehr als 50 Jahren in dem Stadtteil Sandweier ansässige Firma, ein Großhändler mit mehr als 400 Mitarbeitern, wollte die Kosten dafür aber nicht tragen. Claus verlangte die Erstattung der für die Sanierung von Böden und Grundwasser aufgewandten Kosten – und ging vor Gericht.

In den beiden ersten Instanzen war die Höhe des Schadensersatzes offen geblieben. Der Richter Hermann bezifferte den Streitwert des Verfahrens am Donnerstag auf 1,937 Millionen Euro – was offenbar ungefähr hinkommt. Bei der Verhandlung hatte der Rechtsvertreter der Stadt „Haftungsprivilegien für Amtsträger in Ausübung ihres Dienstes“ reklamiert. Hermann wies auch dies zurück: Amtshaftung gelte auch grundsätzlich in Fällen „der Not- und Gefahrenabwehr.“ Würde man dies anders beurteilen, würde Haftung „selbst bei einfacher Fahrlässigkeit“ ausscheiden. Die Entscheidung des Einsatzleiters der Feuerwehr, den Schaum zu verwenden, hält er für „amtspflichtswidrig“.