Shoko Asahara, Gründer der Endzeitsekte „Aum Shinrikyo“, sitzt 1995 nach einem Verhör in einem Polizeifahrzeug. Foto: Kyodo News/AP

In Japan sind der Chef und sechs Anhänger der Aum-Sekte hingerichtet worden. Sie werden für den Giftgas-Anschlag auf die Tokioer U-Bahn 1995 verantwortlich gemacht.

Tokio - Mehr als zwei Jahrzehnte nach dem verheerenden Giftgasanschlag auf die U-Bahn in Tokio sind der damalige Chef und sechs weitere Mitglieder der Aum-Sekte hingerichtet worden. Die japanische Justizministerin Yoko Kamikawa bestätigte, dass Shoko Asahara und sechs seiner Mitstreiter am Freitag gehängt wurden. Es waren die ersten Hinrichtungen im Zusammenhang mit der Nervengasattacke mit 13 Todesopfern und tausenden Verletzten, welche die Welt schockiert hatte.

Asahara und sechs weitere Mitglieder der Aum-Sekte seien wegen der „extrem grausamen und schwerwiegenden Taten, die beispiellos waren und nie wieder passieren sollten“, hingerichtet worden, erklärte Justizministerin Kamikawa. Es waren die größten zeitgleich stattfindenden Hinrichtungen in Japan seit mehr als hundert Jahren: 1911 waren elf Menschen wegen eines geplanten Attentats auf den Kaiser gehängt worden. Weitere sechs Sektenmitglieder sitzen wegen des Anschlags in Tokio noch im Todestrakt. Insgesamt war mehr als 190 Aum-Mitgliedern der Prozess gemacht worden.

13 Menschen getötet und mehr als 6000 verletzt

Bei dem Anschlag am 20. März 1995 hatten die Attentäter der Aum-Sekte während des Berufsverkehrs das Nervengas Sarin in der Tokioter U-Bahn freigesetzt. 13 Menschen wurden getötet und mehr als 6000 weitere verletzt. Das Gift war an fünf Orten in der Tokioter U-Bahn in flüssiger Form freigesetzt worden. Der Anschlag legte die japanische Hauptstadt lahm und verwandelte sie in eine regelrechte Kriegszone: Verletzte mit tränenden Augen rangen um Luft, andere hatten Schaum vor dem Mund und brachen zusammen, einigen lief Blut aus der Nase. Die Tat hatte weltweit für Entsetzen gesorgt und zu einem rigorosen Vorgehen der Behörden gegen die Sekte geführt.

Inzwischen ist die Sekte unter dem Namen Aleph bekannt. Der fast blinde Asahara war im Jahr 2000 offiziell verstoßen worden, Experten zufolge soll er aber weiter starken Einfluss auf die Gruppe gehabt haben.

Überlebende sind erleichtert

Die Hinrichtung der sieben Sektenmitglieder stieß bei einigen Überlebenden am Freitag auf Erleichterung: „Als ich die Nachricht hörte, reagierte ich ruhig“, sagte der Filmemacher Atsushi Sakahara der Nachrichtenagentur AFP, der bei dem Anschlag verletzt worden war. „Aber ich hatte das Gefühl, dass die Welt ein bisschen heller geworden ist.“ Er leide seit Jahren an den Folgen der Attacke und werde sie nie vergessen. „Aber die Hinrichtung bringt eine Art Abschluss.“

Shizue Takahashi, deren bei der U-Bahn beschäftigter Mann bei dem Anschlag getötet worden war, sagte vor Journalisten, Asahara habe den Tod „verdient“. Mit den Hinrichtungen sei ein Gerichtsurteil vollstreckt worden, „also von meiner Seite keinerlei Tränen“.

Amnesty International verurteilt Hinrichtungen

Trotz der Grausamkeit des Anschlags hatten einige Experten vor einer Hinrichtung der Täter gewarnt. Der Tod Asaharas könne einen neuen Sektenführer hervorbringen, möglicherweise Asaharas zweiten Sohn. Überdies gab es Warnungen, die Exekutionen könnten die Täter in den Augen ihrer Anhänger zu Märtyrern machen. Die japanischen Behörden erklärten, sie befänden sich wegen möglicher Vergeltungsakte im Alarmzustand. Japanischen Medien zufolge erschien die Polizei bei Gruppierungen, die Verbindungen zur Aum-Sekte und ihrer Nachfolgeorganisation unterhalten sollen.

Japan gehört zu den wenigen Industrieländern, die an der Todesstrafe festhalten. Menschenrechtsorganisationen verurteilten die Hinrichtungen vom Freitag. Die Todesstrafe könne „nie die Antwort“ sein, erklärte Amnesty International. Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), erklärte in Berlin, bei dem Anschlag der Aum-Sekte hätten tausende Menschen „unermessliches Leiden“ erfahren, dass „unvergessen“ bleibe. Dennoch bleibe die Bundesregierung „bei der grundsätzlichen Ablehnung der Todesstrafe als inhumane und grausame Art der Bestrafung“.